
Seminar zur Didaktik der
Chemie I, WS 2002/03
Diskussion und Auswahl der
Experimente

Durchgang 1
Ausgangspunkt ist die im Vorjahr konzipierte erste UE zum
experimentellen Erstkontakt von Schülern mit dem Fach Chemie. Im Verlauf
mehrerer Jahre soll eine Sequenz experimentbasierter Unterrichtseinheiten
entstehen, die stets von Erfahrungen mit den Stoffen ausgehend die theoretischen
Grundlagen vermitteln soll.

Die ersten Vorschläge auf Grund der Lektüre von Schulbüchern,
Lehrplan und Experimentesammlungen führte zu sehr konventionellen Vorschlägen:
 | Reaktion von Schwefel mit Eisen; |
 | Mischen von Sand und Wasser; Trennung durch
Dekantieren und Filtrieren; |
 | Analyse von Silberoxid bzw. Quecksilberoxid... |
Die Diskussion ergab, dass sie sich auf Grund von
 | Anforderungen an das manuelle Geschick oder |
 | Sicherheitseinstufung von Edukten und Produkten
oder |
 | auf Grund eines geringen Interessantheitsgrades
|
nicht sehr für den Zweck einer Schülerübung bzw.
problemorientierten Unterrichtseinheit eignen. Der neue Auftrag lautete also:
frei nach eigenen Vorstellungen Experimente vorschlagen.

Durchgang 2
Die neue Liste ist viel breiter angelegt:
- Milch kochen / anbrennen lassen.
- Zucker erhitzen / karamellisieren lassen.
- Mineralwasser herstellen / Flasche öffnen.
- a. Zitronensaft / b. Milch in schwarzen Tee geben.
- Backpulver in Wasser / Säure auflösen.
- Essig auf Kalk einwirken lassen.
- Eisen rosten lassen.
- Farbige Stoffe mischen / reagieren lassen (Experiment
beschrieben)
- Rotwein / Salz
- Herstellung von Pudding / Götterspeise
- "Kälte-Reaktionen" (Experiment
beschrieben)
- Eindampfen von Salzwasser
- Verbrennung von Papier, Schwarzpulver...
- Salz erhitzen
- Anwenden von Zweikomponentenkleber.
Lehrziel ist, dass Schüler die Ergebnisse der
Experimente nach zwei Gruppen hin klassifizieren:
 | Gruppe A "hat reagiert", "ein neuer Stoff
entstanden" und |
 | Gruppe B "hat nicht reagiert", "Stoffe so
wie vorher". |
Gruppe A muss zunächst weiter unterteilt werden, da
Schüler über unterschiedliche Wahrnehmungen Stoffartänderungen bemerken:
 | A1: Farbänderung (Nr. 4a, 7, 9, 8, 14, 2) |
 | A2: Temperaturänderung (11) |
 | A3: andere (Viskosität, Gas, Geruch...) (Nr. 4b, 5,
6, 10, 1, 3, 13, 14). |
Der fachliche und didaktische Wert wird im nächsten
Durchgang beurteilt.

Durchgang 3: Bewertung und
Kategorisierung
Kategorie A: "ein neuer Stoff ist entstanden -
Stoffartänderung - Chemie "
Nr. |
Bezeichnung |
Bemerkung |
Ausw. |
01 |
Milch kochen / anbrennen lassen. |
Phänomen zu komplex,
Ergebnis nicht klar sichtbar, negative Affektivität. |
- |
02 |
Zucker erhitzen /
karamellisieren lassen. |
Phänomen klar sichtbar,
einfache Durchführung, positive Affektivität. Kurz. |
+ |
03 |
Sodawasser herstellen / Flasche öffnen. |
Phänomen klar sichtbar,
einfache Durchführung, Alltagsrelevanz, vermischtes Phänomen
mit chem. und physik. Anteil (H2CO3/CO2).
Kurz. |
+/- |
04 |
a. Zitronensaft |
Phänomen klar sichtbar,
einfache Durchführung, positive Affektivität, Alltagsrelevanz, mittl.
Dauer. |
+ |
|
b. Milch in schwarzen Tee
geben. |
Phänomen klar sichtbar,
einfache Durchführung, negative Affektivität, Alltagsrelevanz, mittl.
Dauer. |
+ |
05 |
Backpulver in Wasser oder
Essig auflösen. |
Phänomen klar sichtbar,
einfache Durchführung, positive Affektivität, Alltagsrelevanz. Als
Mischung problematisch, mit Essig i.O., kurz |
+ |
06 |
Essig auf Kalk einwirken lassen. |
Phänomen klar sichtbar
(Kalkpulver), einfache Durchführung, positive Affektivität,
Alltagsrelevanz, kurz. |
+ |
07 |
Eisen rosten lassen. |
Phänomen klar sichtbar
(Stahlwolle), akzeptable Schwierigkeit, Alltagsrelevanz, mittlere
Dauer. |
+ |
08 |
Farbige Stoffe mischen /
reagieren lassen |
Phänomen klar sichtbar
(Stahlwolle), noch akzeptable Schwierigkeit, positive Affektivität,
mittlere Dauer, hoher didaktischer Wert. |
+ |
09 |
Salz auf Rotweinfleck |
Phänomen nicht sichtbar,
einfache Durchführung, auch bei Sichtbarkeit vorausgesetzt: vermischte
Aussage. |
- |
11 |
"Kälte-Reaktionen" |
Phänomen gut
feststellbar, einfache Durchführung, kurze Dauer, nicht ungefährliche
Stoffe. |
+/- |
13 |
a Verbrennung von Papier |
Phänomen gut
feststellbar, einfache Durchführung, kurze Dauer, positive
Affektivität, Alltagsrelevanz, Anschlussexperiment an GS, hoher
didaktischer Wert, Anschlussfähig (Redox). |
+ |
|
b Verbrennung von
Schwarzpulver |
Phänomen gut
feststellbar, einfache Durchführung, kurze Dauer, verbotenes
Experiment. |
- |
|
c Verbrennung von
Stahlwolle |
Phänomen gut
feststellbar, akzeptable Schwierigkeit und Dauer, positive
Affektivität, hoher didaktischer Wert, Anschlussfähig (Redox), did.
Ort zu früh. |
+/- |
15 |
Anwenden von Zweikomponentenkleber. |
Phänomen gut
feststellbar, akzeptable Schwierigkeit, lange Dauer, Alltagsrelevanz,
problematische Deutung (Trocknen? Härten als Stoffartänderung?) |
- |
Kategorie B: "Stoff bleibt wie er ist - keine
Stoffartänderung - Physik"
Nr. |
Bezeichnung |
Bemerkung |
Ausw. |
08 |
Farbige Stoffe mischen /
reagieren lassen |
Phänomen klar sichtbar
(Stahlwolle), noch akzeptable Schwierigkeit, positive Affektivität,
mittlere Dauer, hoher didaktischer Wert. |
+ |
09 |
Salz auf Rotweinfleck |
Phänomen nicht sichtbar,
einfache Durchführung, auch bei Sichtbarkeit vorausgesetzt: vermischte
Aussage. |
- |
10 |
a Herstellung von Pudding |
Phänomen (Quellung) gut
sichtbar, akzeptable Schwierigkeit, positive Affektivität, lange
Dauer, missverständliche Deutung (Lösen des Farbstoffes bzw. Quellung
als Reaktion). |
- |
|
b Herstellung von Götterspeise |
Phänomen (Quellung) gut
sichtbar, akzeptable Schwierigkeit, positive Affektivität, lange
Dauer, missverständliche Deutung (Quellung bzw. "Verschwinden" des
Zuckers als Reaktion). |
- |
12 |
Eindampfen von Salzwasser |
Phänomen gut
feststellbar, einfache Durchführung, neutrale Affektivität, akzeptable
Dauer. |
+ |
14 |
Salz erhitzen |
Überraschendes Phänomen
sichtbar, einfache Durchführung, klarer Effekt. |
+ |
15 |
Anwenden von Zweikomponentenkleber. |
Phänomen gut
feststellbar, akzeptable Schwierigkeit, lange Dauer, Alltagsrelevanz,
problematische Deutung (Trocknen? Härten als Stoffartänderung?) |
- |

Ergebnis der Auswahl und Vorschlag für
eine Unterrichtseinheit
Unterrichtseinheit
Fachliche Grundbegriffe werden
 | neu angebahnt bzw. aus anderen Entwickelt (chemische
Reaktion, Stoffartänderung), |
 | wieder aufgenommen (Lösung, Säure, Salz...), um sie
zunächst phänomenologisch weiter auszuschärfen oder |
 | wieder aufgenommen, um sie in Beziehungen zu setzen
und abzuschließen: Mischung. |


E-Mail:
Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de
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