Anhang 1

1.3.2.3.2 Anmerkung zur Verwendung von R 48

(1) Die Verwendung dieses R-Satzes bezieht sich auf den besonderen Bereich biologischer Wirkungen, wie sie nachfolgend beschrieben werden. Bei der Anwendung dieser Bezeichnung der besonderen Gefahren schließt ein schwerer Gesundheitsschaden auch den Tod, eindeutige funktionelle Störungen oder morphologische Veränderungen von toxikologischer Bedeutung ein, insbesondere dann, wenn diese Veränderungen irreversibel sind. Darüber hinaus sind nicht nur spezifische schwere Veränderungen an einem einzigen Organ oder einem biologischen System, sondern auch weniger schwere allgemeine Veränderungen mehrerer Organe oder schwere Veränderungen des Allgemeinzustandes zu berücksichtigen.

(2) Bei der Bewertung, ob es Anhaltspunkte für diese Art von Schäden gibt, sollten die folgenden Leitlinien herangezogen werden.

  1. Anhaltspunkte für die Verwendung von R 48:
    1. Stoffbedingte Todesfälle,
      1. bedeutende funktionelle Veränderungen im zentralen oder peripheren Nervensystem, einschließlich Seh-, Hör- und Geruchsvermögen, die durch klinische Beobachtungen oder andere geeignete Verfahren (z.B. elektrophysiologisch) festgestellt wurden,
      2. bedeutende funktionelle Veränderungen in anderen Organsystemen (z.B. Lunge),
    2. jegliche übereinstimmende Veränderung klinisch-biochemischer, hämatologischer oder Harnparameter, die auf eine schwere organische Funktionsstörung hinweisen. Hämatologische Störungen sind als besonders bedeutsam angesehen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß sie auf einer verminderten Produktion von Blutzellen des Knochenmarks beruhen,
    3. schwere Organschäden, die nach mikroskopischer Begutachtung nach einer Autopsie festgestellt werden:
      1. ausgedehnte oder schwere Nekrose, Fibrose oder Granulombildung in lebenswichtigen Organen mit Regenerationsvermögen (z.B. Leber),
      2. schwere morphologische Veränderungen, die möglicherweise reversibel sind, aber eindeutig eine ausgeprägte organische Funktionsstörung darstellen (z.B. schwere Fetteinlagerungen in der Leber, schwere akute Tubulus-Nephrose in der Niere, ulcerative Gastritis),
      3. Anhaltspunkte für ein merkliches Absterben von Zellen in lebenswichtigen Organen, die nicht zur Regeneration fähig sind (z.B. Fibrose des Herzmuskels, Absterben eines Nervens) oder in Stammzell-Populationen (z.B. Aplasie oder Hypoplasie des Knochenmarks).

(3) Die Anhaltspunkte nach Absatz 2 Nr. 1 werden in den meisten Fällen aus Tierexperimenten gewonnen. Werden Erfahrungen aus der Praxis herangezogen, sollte die Höhe der Exposition besonders beachtet werden.

  1. Anhaltspunkte, bei denen R 48 nicht angewendet werden sollte:

    Die Verwendung dieser Bezeichnung der besonderen Gefahren ist auf "ernste Gesundheitsschäden bei längerer Exposition" beschränkt. Sowohl beim Menschen als auch beim Tier können zahlreiche stoffbedingte Wirkungen beobachtet werden, die die Verwendung von R 48 nicht rechtfertigen. Diese Wirkungen sind aber von Bedeutung, wenn für einen chemischen Stoff die Dosis ohne Wirkung (NOEL) bestimmt werden soll. Im folgenden werden einige Beispiele für gut dokumentierte Veränderungen genannt, die, unabhängig von ihrer statistischen Bedeutung, in der Regel keine Einstufung mit R 48 rechtfertigen würden:

    1. klinische Beobachtungen oder Veränderungen der Gewichtszunahme, Futter- oder Wasseraufnahme, die zwar toxikologisch bedeutsam sein können, jedoch als solche nicht auf "ernste Schäden" hindeuten,
    2. geringfügige Veränderungen klinisch-chemischer, hämatologischer oder Harnparameter von zweifelhafter oder geringer toxikologischer Bedeutung,
    3. Organgewichtsveränderungen ohne Anzeichen einer organischen Funktionsstörung,
    4. adaptive Reaktionen (z.B. Migration von Macrophagen in die Lunge, Leberhypertrophie und Enzyminduktion, hyperplastische Reaktionen auf Reizstoffe). Lokale Wirkungen auf der Haut nach wiederholter dermaler Verabreichung eines Stoffes sind richtigerweise besser mit R 38 "Reizt die Haut" einzustufen,
    5. ein speziesspezifischer Toxizitätsmechanismus wurde nachgewiesen (z.B. spezifische Stoffwechselwege).

1.3.2.4 Ätzend

(1) Ein Stoff oder eine Zubereitung gilt als ätzend, wenn bei Aufbringung auf die gesunde intakte Haut von Versuchstieren nach der in § 2 Abs. 4 ChemPrüfV beschriebenen Prüfmethode für die Hautreizung oder einer gleichwertigen Methode bei mindestens einem Versuchstier die Zerstörung der Haut in ihrer gesamten Dicke hervorgerufen wird oder wenn dieses Ergebnis vorausgesagt werden kann, z.B. bei stark sauren oder alkalischen Reaktionen (nachgewiesener pH-Wert von 2 oder weniger bzw. 11,5 oder mehr; eine alkalische oder saure Reserve ist ebenfalls zu berücksichtigen).

(2) Die Einstufung kann auch aufgrund der Ergebnisse gut validierter in-vitro Tests erfolgen.

(3) Der Stoff oder die Zubereitung wird als ätzend eingestuft und mit dem Gefahrensymbol "C" und der Gefahrenbezeichnung "Ätzend" gekennzeichnet. Die R-Sätze werden nach den nachstehenden Kriterien ausgewählt:

1. R 35 Verursacht schwere Verätzungen
bulletwenn bei Aufbringen auf die gesunde intakte Haut von Versuchstieren nach einer Einwirkungszeit von höchstens 3 Minuten Zerstörung des Hautgewebes in seiner gesamten Dicke hervorgerufen wird oder wenn dieses Ergebnis vorausgesagt werden kann.

2. R 34 Verursacht Verätzungen
bulletwenn bei Aufbringen auf die gesunde intakte Haut von Versuchstieren nach einer Einwirkungszeit bis zu 4 Stunden Zerstörung des Hautgewebes in seiner gesamten Dicke hervorgerufen wird oder wenn dieses Ergebnis vorausgesagt werden kann,
bulletorganische Hydroperoxide, außer wenn gegenteilige Nachweise vorliegen.

1.3.2.5 Reizend

Stoffe und Zubereitungen werden als reizend eingestuft und mit dem Gefahrensymbol "XI" und der Gefahrenbezeichnung "Reizend" gemäß den nachstehenden Kriterien gekennzeichnet.

1.3.2.5.1 (1) Entzündung der Haut

Der folgende R-Satz ist gemäß den nachstehenden Kriterien zuzuordnen:

R 38 Reizt die Haut
bulletStoffe und Zubereitungen, die eine deutliche Entzündung der Haut hervorrufen, die nach einer Einwirkungszeit von bis zu 4 Stunden mindestens 24 Stunden anhält und nach der in § 2 Abs. 4 ChemPrüfV genannten Methode des Hautreizungstests am Kaninchen festgestellt wird.
Eine deutliche Entzündung liegt dann vor,
bulletwenn der Mittelwert der Ergebnisse aus Rötung und Schorfbildung oder Ödembildung auf alle Versuchstiere bezogen 2 oder mehr beträgt,
bulletoder, falls der Test nach § 2 Abs. 4 ChemPrüfV mit 3 Versuchstieren durchgeführt wurde, wenn das Ergebnis entweder für Rötung und Schorfbildung oder für Ödembildung bei mindestens 2 Versuchstieren einen Wert von 2 oder mehr (für jedes Tier einzeln berechnet) erreicht.

In beiden Fällen sollten alle Ergebnisse zu jedem Ablesezeitpunkt (nach 24, 48 und 72 Stunden) zur Berechnung der jeweiligen Mittelwerte herangezogen werden.
Eine deutliche Entzündung liegt auch dann vor, wenn die Entzündung bei mindestens zwei Versuchstieren am Ende der Beobachtungszeit noch vorhanden ist. Besondere Wirkungen, wie z.B. Hyperplasie, Schuppenbildung, Verfärbung, Risse, Schorf und Haarausfall, sollten berücksichtigt werden.
bulletStoffe und Zubereitungen, die nach praktischer Erfahrung beim Menschen zu deutlicher Entzündung der Haut führen;
bulletorganische Peroxide, außer wenn gegenteilige Nachweise vorliegen.

(2) Reizung aufgrund der entfettenden Eigenschaften eines Stoffes: Führen die Testergebnisse oder praktische Erfahrungen zu Reizungen gemäß den Kriterien nach Absatz 1, so sind die entsprechenden R-Sätze zu verwenden. Demgegenüber sind S-Sätze zu verwenden, wenn anzunehmen ist, daß die entfettenden Eigenschaften zu Reizungen beim Menschen führen, auch wenn die Kriterien nach Absatz 1 nicht erfüllt sind oder eine ungeeignete Prüfmethode angewendet wurde.

1.3.2.5.2 Schädigung der Augen

Folgende R-Sätze sind gemäß den nachstehenden Kriterien zuzuordnen:

  1. R 36 Reizt die Augen
    bulletStoffe und Zubereitungen, die beim Einbringen in das Auge von Versuchstieren innerhalb von 72 Stunden nach der Exposition deutliche Augenschäden hervorrufen und die 24 Stunden oder länger anhalten.
    bulletDeutliche Augenschäden liegen vor, wenn bei dem in § 2 Abs. 4 ChemPrüfV genannten Test einer der folgenden Mittelwerte erreicht wird:
    bulletHornhauttrübung größer oder gleich 2, aber kleiner als 3;
    bulletRegenbogenhautentzündung größer oder gleich 1, aber nicht größer als 1,5;
    bulletBindehautrötung größer oder gleich 2,5;
    bulletBindehautschwellung (Chemosis) größer oder gleich 2;
    bulletoder, falls der Test mit 3 Versuchstieren durchgeführt wurde, wenn bei mindestens 2 Versuchstieren einer der oben genannten Werte erreicht wird, mit Ausnahme der Werte für Regenbogenhautentzündung, die größer oder gleich 1, aber kleiner als 2 sein müssen und Bindehautrötung, die größer oder gleich 2,5 sein muß.

    In beiden Fällen sollten alle Ergebnisse zu jedem Ablesezeitpunkt (nach 24, 48 und 72 Stunden) zur Berechnung der jeweiligen Mittelwerte herangezogen werden.
    bulletStoffe und Zubereitungen, die nach praktischer Erfahrung beim Menschen zu deutlichen Augenschäden führen;
    bulletorganische Peroxide, außer wenn gegenteilige Nachweise vorliegen.

  2. R 41 Gefahr ernster Augenschäden
    bulletStoffe und Zubereitungen, die beim Einbringen in das Auge von Versuchstieren innerhalb von 72 Stunden nach der Exposition schwere Augenschäden hervorrufen und die 24 Stunden oder länger anhalten.
    bulletSchwere Augenschäden liegen vor, wenn bei dem Test nach § 2 Abs. 4 ChemPrüfV einer der folgenden Mittelwerte erreicht werden:
    bulletHornhauttrübung größer oder gleich 3;
    bulletRegenbogenhautentzündung größer als 1,5;

    oder falls der Test mit 3 Versuchstieren durchgeführt wurde, wenn bei mindestens 2 Versuchstieren einer der folgenden Werte erreicht wird:
    bulletHornhauttrübung größer oder gleich 3;
    bulletRegenbogenhautentzündung gleich 2.

    In beiden Fällen sollten alle Ergebnisse zu jedem Ablesezeitpunkt (nach 24, 48 und 72 Stunden) zur Berechnung der jeweiligen Mittelwerte herangezogen werden.
    Augenschäden sind auch dann schwere Augenschäden, wenn sie am Ende der Beobachtungszeit noch vorhanden sind.
    Eine schwere Schädigung der Augen liegt auch vor, wenn der Stoff oder die Zubereitung zu einer irreversiblen Verfärbung der Augen führt.
    bulletStoffe und Zubereitungen, die nach praktischer Erfahrung beim Menschen zu schweren Augenschäden führen.

Anmerkung:
Wird ein Stoff oder eine Zubereitung als ätzend eingestuft und mit R 34 oder R 35 gekennzeichnet, so wird die Gefahr schwerer Augenschäden als implizit angesehen und R 41 auf dem Kennzeichnungsschild nicht angegeben. Im Falle einer Zubereitung sind zur Berechnung der Summe der Quotienten nach der Formel gemäß Anhang II Nr. 1.3.7 Ziffer 2 und 4 als ätzend eingestufte Stoffe allerdings so zu betrachten, als wären sie mit R 41 gekennzeichnet.

1.3.2.5.3 Reizung der Atemwege

Der folgende R-Satz wird gemäß dem angegebenen Kriterium zugeordnet:

R 37 Reizt die Atmungsorgane
bulletStoffe und Zubereitungen, die zu deutlichen Reizungen der Atmungsorgane führen, in der Regel auf der Grundlage praktischer Erfahrungen beim Menschen.

1.3.2.6 Sensibilisierend

1.3.2.6.1 Sensibilisierung durch Einatmen

Stoffe und Zubereitungen werden als sensibilisierend eingestuft und mit dem Gefahrensymbol "Xn", der Gefahrenbezeichnung "Gesundheitsschädlich" und der Bezeichnung der besonderen Gefahren R 42 gemäß den nachstehenden Kriterien gekennzeichnet.

R 42 Sensibilisierung durch Einatmen möglich
bulletwenn praktische Erfahrungen zeigen, daß die Stoffe und Zubereitungen beim Menschen durch Einatmen eine 8 Sensibilisierung in größerer Häufigkeit induzieren können, als bei der Durchschnittsbevölkerung erwartet würde;
bulletwenn der Stoff ein Isocyanat ist, außer es liegt ein Nachweis darüber vor, daß der Stoff keine Sensibilisierung durch Einatmen bewirkt.

1.3.2.6.2 Sensibilisierung durch Hautkontakt

Stoffe und Zubereitungen werden als sensibilisierend eingestuft und mit dem Gefahrensymbol "Xi", der Gefahrenbezeichnung "Reizend" und der Bezeichnung der besonderen Gefahren R 43 gemäß dem nachstehenden Kriterium gekennzeichnet.

R 43 Sensibilisierung durch Hautkontakt möglich
bulletwenn praktische Erfahrungen zeigen, daß Stoffe und Zubereitungen eine Sensibilisierungsreaktion bei einer erheblichen Anzahl von Personen durch Hautkontakt hervorrufen können oder auf der Grundlage positiver Ergebnisse in Tierversuchen.

1.3.2.6.3 Bei Anwendung der in der ChemPrüfV beschriebenen Adjuvans-Prüfmethode zur Sensibilisierung der Haut oder vergleichbarer Adjuvans-Tests gilt ein Ergebnis bei mindestens 30 % der Versuchstiere als positiv. Bei anderen Prüfmethoden gilt ein Ergebnis von mindestens 15 % als positiv.

Neben dem Gefahrensymbol "Xn" und der Gefahrenbezeichnung "Gesundheitsschädlich" darf auch das Gefahrensymbol "Xi" und die Gefahrenbezeichnung "Reizend" aufgebracht werden.

1.3.2.7 Sonstige toxische Eigenschaften

(1) Für die Stoffe und Zubereitungen, die entsprechend den Kriterien der Nummern 1.2.2.1 bis 1.3.2.7 oder Nummer 1.4 und 1.5 eingestuft worden sind, werden nach den folgenden Kriterien zusätzliche Bezeichnungen der besonderen Gefahren ausgewählt:

R 29 Entwickelt bei Berührung mit Wasser giftige Gase

Für Stoffe und Zubereitungen, die bei Berührung mit Wasser oder feuchter Luft sehr giftige/giftige Gase in gefährlicher Menge freisetzen, z.B. Aluminiumphosphid, Phosphor(V)-sulfid.

R 31 Entwickelt bei Berührung mit Säure giftige Gase

Für Stoffe und Zubereitungen, die mit Säuren reagieren und giftige Gase in gefährlicher Menge freisetzen, z.B. Natriumhypochlorit, Bariumpolysulfid. Bei Stoffen, die von der Allgemeinheit benutzt werden, sollte vorzugsweise S 50 (s. Anhang I Nr. 1.6) verwendet werden.

R 32 Entwickelt bei Berührung mit Säure sehr giftige Gase

Für Stoffe und Zubereitungen, die mit Säuren reagieren und sehr giftige Gase in gefährlicher Menge freisetzen, z.B. die Salze der Cyanwasserstoffsäure, Natriumazid. Bei Stoffen, die von der Allgemeinheit benutzt werden, sollte vorzugsweise S 50 (Nicht mischen mit... (vom Hersteller anzugeben» verwendet werden.

R 33 Gefahr kumulativer Wirkungen

Für Stoffe und Zubereitungen, die sich im menschlichen Körper anreichern können und zu Besorgnis Anlaß geben, die aber nicht die Verwendung von R 48 rechtfertigt.

R 64 Kann Säuglinge über die Muttermilch schädigen

Für Stoffe und Zubereitungen, die von Frauen aufgenommen werden und die Laktation beeinträchtigen können oder die in solchen Mengen in der Muttermilch (einschließlich Stoffwechselprodukten) vorhanden sein können, daß sie die Gesundheit eines gestillten Säuglings besorgniserregend beeinträchtigen können.

Erläuterungen zur Verwendung dieses R-Satzes (und in einigen Fällen R 33) siehe Nummer 1.4.2.3.3.