Anhang 1

1.4.2.3.2 Es gelten die folgenden Symbole und R-Sätze:

Kategorie 1
bulletStoffe, die beim Menschen die Fortpflanzungsfähigkeit (Fruchtbarkeit) bekanntermaßen beeinträchtigen:
T; R 60: Kann die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen
bulletStoffe, die beim Menschen bekanntermaßen fruchtschädigend (entwicklungsschädigend) wirken:
T; R 61: Kann das Kind im Mutterleib schädigen

Kategorie 2
bulletStoffe, die als beeinträchtigend für die Fortpflanzungsfähigkeit (Fruchtbarkeit) des Menschen angesehen werden sollten:
T; R 60: Kann die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen
bulletStoffe, die als fruchtschädigend (entwicklungsschädigend) für den Menschen angesehen werden sollten:
T; R 61: Kann das Kind im Mutterleib schädigen

Kategorie 3
bulletStoffe, die wegen möglicher Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit (Fruchtbarkeit) des Menschen zu Besorgnis Anlaß geben:
Xn; R 62: Kann möglicherweise die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen
bulletStoffe, die wegen möglicher fruchtschädigender (entwicklungsschädigender) Wirkungen beim Menschen zu Besorgnis Anlaß geben:
Xn; R 63: Kann das Kind im Mutterleib möglicherweise schädigen

1.4.2.3.3 Anmerkungen zur Kategorisierung reproduktionstoxischer (fortpflanzungsgefährdender) Stoffe

(1) Der Begriff "Reproduktionstoxizität" umfaßt sowohl die Beeinträchtigung der männlichen und weiblichen Fortpflanzungsfähigkeit als auch die vorgeburtliche Verursachung von nicht durch Vererbung verursachten Schädigungen der Nachkommenschaft. Somit lassen sich die beiden folgenden Aspekte unterscheiden: 1. Beeinträchtigung der weiblichen und männlichen Fruchtbarkeit und 2. Entwicklungsschäden.

  1. Die Beeinträchtigung der weiblichen und männlichen Fortpflanzungsfähigkeit beinhaltet nachteilige Auswirkungen auf die Libido, das Sexualverhalten, alle Aspekte der Spermatogenese oder 0ogenese, auf den Hormonhaushalt oder auf physiologische Reaktionen, die im Zusammenhang mit der Befruchtungsfähigkeit, der Befruchtung selbst oder der Entwicklung der befruchteten Eizelle bis zur Einnistung im Uterus stehen.
  2. Der Begriff "Entwicklungsschäden" wird im weitesten Sinne verstanden und schließt dabei alle schädlichen Wirkungen auf die Entwicklung der Nachkommenschaft ein, die während der Schwangerschaft verursacht werden und sich prä- oder postnatal manifestieren. Zu diesen entwicklungs- oder fruchtschädigenden Wirkungen gehören: Embryo- oder fetotoxische Wirkungen, wie geringeres Körpergewicht, Wachstums- und Entwicklungsstörungen und Organschäden, ferner letale Effekte und Aborte, Mißbildungen (Teratogenität), funktionelle Schädigungen, peri- und postnatale Schäden und die Beeinträchtigung der postnatalen geistigen und physischen Entwicklung bis zum Abschluß der pubertären Entwicklung.

(2) Die Einstufung von Stoffen als reproduktionstoxisch soll für solche Stoffe erfolgen, die die charakteristische oder spezifische Eigenschaft besitzen, derartige toxische Wirkungen zu verursachen. Stoffe, bei denen solche Wirkungen nur als sekundäre und unspezifische Folge anderer toxischer Wirkungen auftreten, sollten nicht als reproduktionstoxisch eingestuft werden. Als besonders kritisch werden die Stoffe eingeschätzt, deren reproduktionstoxische Wirkung bereits in einem Dosisbereich auftritt, in dem keine anderen Anzeichen von Toxizität beobachtet werden.

(3) Die Einstufung eines Stoffes in Kategorie 1 unter den Aspekten der Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit und/oder fruchtschädigenden Wirkung erfolgt auf der Grundlage von Erfahrungen am Menschen. Die Einstufung eines Stoffes in Kategorie 2 oder 3 erfolgt in erster Linie auf der Grundlage von tierexperimentellen Daten. Daten aus in vitro Untersuchungen oder aus Untersuchungen an Hühnerkeimen haben in der Regel lediglich einen ergänzenden Hinweischarakter und können beim Fehlen von in vivo Daten nur im Ausnahmefall eine Einstufung begründen.

(4) Wie bei bestimmten anderen Arten von toxischen Wirkungen, wird auch bei den hier behandelten reproduktionstoxischen Stoffen davon ausgegangen, daß es eine Wirkungsschwelle gibt, unterhalb derer nachteilige Wirkungen nicht nachweisbar sind. Selbst wenn im Tierexperiment eindeutige Wirkungen nachgewiesen wurden, muß die Bedeutung dieser Befunde für den Menschen kritisch geprüft werden. Diesbezüglich zu berücksichtigende Aspekte sind die Verursachung reproduktionstoxischer Wirkungen ausschließlich bei hohen Dosierungen, deutliche toxikokinetische Unterschiede zwischen Tier und Mensch oder nicht geeignete Verabreichungswege. Aus diesen oder ähnlichen Gründen kann eine Einstufung in Kategorie 3 oder auch keine diesbezügliche Einstufung angemessen sein.

(5) In § 2 Abs. 4 ChemPrüfV wird ein Limit-Test für Stoffe mit geringer Toxizität beschrieben. Liefert eine Dosis von mindestens 1 000 mg/ kg (oral) keinen Hinweis auf reproduktionstoxische Wirkungen, werden Untersuchungen in anderen Dosisbereichen nicht unbedingt als erforderlich angesehen. Liegen Daten aus Untersuchungen vor, die mit höheren als der oben genannten Grenzdosis durchgeführt wurden, müssen diese zusammen mit anderen relevanten Daten bewertet werden. Im Regelfall wird davon ausgegangen, daß reproduktionstoxische Wirkungen, die nur bei Dosen oberhalb der genannten Grenzdosis beobachtet wurden, nicht notwendigerweise zu einer Einstufung des Stoffes als reproduktionstoxisch führen.

1.4.2.3.4 Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit (Fruchtbarkeit)

(1) Zur Einstufung eines Stoffes in Kategorie 2 unter dem Aspekt der Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit sollte in der Regel ein eindeutiger Nachweis der diesbezüglichen Wirkung an einer Tierart in Verbindung mit zusätzlichen, im folgenden genannten Hinweisen vorliegen: Unterstützende Daten zum Wirkungsmechanismus oder Wirkungsort, oder eine chemische Verwandtschaft zu anderen bekannten, die Fruchtbarkeit beeinträchtigenden Stoffen, oder sonstige diesbezügliche Erfahrungen am Menschen, die die Schlußfolgerung erlauben, daß solche Wirkungen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit beim Menschen erwartet werden können. Liegen Untersuchungen lediglich an einer Tierart ohne unterstützende Hinweise vor, kann eine Einstufung in Kategorie 3 gerechtfertigt sein.

(2) Da eine Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit als sekundäre, unspezifische Folge einer ausgeprägten allgemeinen Toxizität oder infolge einer starken Entkräftung der Versuchstiere auftreten kann, sollte eine Einstufung in Kategorie 2 nur vorgenommen werden, wenn eine gewisse Spezifität der Wirkung auf das Reproduktionssystem belegt ist. Wenn die Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit auf einer Störung des Paarungsverhaltens beruht, sind für die Einstufung in Kategorie 2 in der Regel Kenntnisse über den zugrunde liegenden Wirkungsmechanismus erforderlich, um beurteilen zu können, ob der jeweilige primäre toxische Effekt (z.B. eine toxisch bedingte Änderung des Hormonspiegels) möglicherweise auch beim Menschen auftreten kann.

1.4.2.3.5 Entwicklungsschäden (fruchtschädigende Wirkung)

(1) Zur Einstufung eines Stoffes in Kategorie 2 unter dem Aspekt der fruchtschädigenden Wirkung sollte ein eindeutiger Nachweis der diesbezüglichen Wirkung in valide durchgeführten Untersuchungen mit einer oder mehreren Tierarten vorliegen. Da eine fruchtschädigende Wirkung infolge maternaler Toxizität, verminderter Futter- oder Wasseraufnahme, Streß oder mangelnder Fürsorge der Muttertiere, spezifischen Nahrungsmangels, mangelhafter Tierhaltung, zwischenzeitlicher Infektionen und anderer Einflüsse auftreten kann, ist es für die Beurteilung der experimentellen Befunde von wesentlicher Bedeutung, daß die Untersuchungen valide durchgeführt werden und die fruchtschädigende Wirkung in einem Dosisbereich ohne ausgeprägte maternale Toxizität auftritt. Der Verabreichungsweg einer Prüfsubstanz ist ebenfalls von Bedeutung. So kann die intraperitoneale Infektion eines reizenden Stoffes zu einer lokal bedingten Schädigung des Uterus und der Feten führen. Die Ergebnisse solcher Studien müssen kritisch bewertet werden und führen als isolierte Befunde in der Regel nicht zu einer Einstufung.

(2) Die Einstufungskriterien für Kategorie 3 unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen für die Kategorie 2. Die Einstufung in Kategorie 3 kann jedoch dann gerechtfertigt sein, wenn die Untersuchung methodische Mängel aufweist, so daß eine Bewertung der Befunde nur mit deutlichen Einschränkungen möglich ist, oder wenn die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, daß die fruchtschädigende Wirkung die Folge unspezifischer Einflüsse wie z.B. allgemeiner Toxizität ist.

(3) In der Regel erfolgt eine Einstufung in Kategorie 3 oder keine Einstufung dann, wenn als einzige Wirkung geringfügige Änderungen der Inzidenz spontaner Defekte, geringfügige als Variationen gewertete Skelettveränderungen oder geringfügige Einflüsse auf die postnatal untersuchte Entwicklung der Nachkommen festgestellt werden.

1.4.2.3.6 Wirkungen während der Stillzeit

(1) Stoffe, die als fortpflanzungsgefährdend eingestuft wurden und deren Wirkungen auch im Zusammenhang mit dem Stillen zu Besorgnis Anlaß geben, sollten zusätzlich mit R 64 gekennzeichnet werden (vgl. Kriterien in Nummer 1.3.2.8).

(2) Toxische Wirkungen auf die Nachkommen, die ausschließlich nach Aufnahme über die Muttermilch auftreten, oder toxische Wirkungen, die sich aus direkter Exposition der Kinder ergeben, führen nicht zur Einstufung als "fortpflanzungsgefährdend", es sei denn, diese Wirkungen äußern sich in einer Beeinträchtigung der Entwicklung der Nachkommen.

(3) Stoffe, die nicht als fortpflanzungsgefährdend eingestuft wurden, aber aufgrund ihrer schädlichen Wirkungen bei Aufnahme durch den Säugling während der Stillzeit zu Besorgnis Anlaß geben, werden mit R 64 gekennzeichnet (vgl. Kriterien in Nummer 1.3.2.8). Dieser R-Satz kann auch für Stoffe geeignet sein, die die Menge oder die Qualität der Milch beeinflussen.

R 64 wird in der Regel auf folgender Grundlage zugeordnet:

  1. toxikokinetische Untersuchungen, die auf die Wahrscheinlichkeit hinweisen, daß der Stoff in möglicherweise toxischen Mengen in der Muttermilch vorhanden ist, und/oder
  2. Ergebnisse von tierexperimentellen Untersuchungen über eine oder zwei Generationen, die auf nachteilige Wirkungen bei den Nachkommen infolge Aufnahme des Stoffes über die Muttermilch hinweisen, und/oder
  3. Anhaltspunkte beim Menschen, die auf eine Gefahr für den Säugling während der Stillzeit hinweisen.
    Stoffe, die sich bekanntermaßen im Körper anreichern und dann während der Stillzeit in der Milch freigesetzt werden können, sollten mit R 33 und R 64 gekennzeichnet werden.

1.4.2.4 Verfahren zur Einstufung von Zubereitungen nach spezifischen Gesundheitsschäden

Enthält eine Zubereitung einen oder mehrere Stoffe, die entsprechend den Kriterien der Nummer 1.4 dieses Anhangs eingestuft sind, ist sie gemäß den in Anhang II Nr. 1.3.9 bis 1.3.11 genannten Kriterien einzustufen.

1.5 Einstufung aufgrund bestimmter Auswirkungen auf die Umwelt

1.5.1 Einleitung

(1) Die Kriterien nach Nummer 1.5.2 ergeben sich aus den in § 2 Abs. 4 ChemPrüfV dargestellten Prüfmethoden, soweit diese dort genannt sind. Für die Grundprüfung gemäß § 4 ChemPrüfV ist eine begrenzte Anzahl von Prüfmethoden verfügbar. Die hieraus gewonnenen Informationen können für eine ordnungsgemäße Einstufung unzureichend sein. Für die Einstufung können zusätzliche Daten aus der Stufe 1 (§ 5 ChemPrüfV) oder sonstiger gleichwertiger Untersuchungen erforderlich sein. Darüber hinaus können bereits eingestufte Stoffe aufgrund anderer neuer Daten überarbeitet werden.

(2) Zur Einstufung und Kennzeichnung werden diese Stoffe entsprechend dem Stand der Kenntnisse in zwei Gruppen gemäß ihrer akuten oder langfristigen Wirkungen in aquatischen Systemen bzw. ihrer akuten oder langfristigen Wirkungen in nicht aquatischen Systemen eingeteilt.

1.5.2 Einstufungskriterien und Auswahl der Gefahrenbezeichnungen sowie der Bezeichnungen der besonderen Gefahren

1.5.2.1 Gewässer

Stoffe werden als gefährlich für die Umwelt eingestuft, mit dem Gefahrensymbol "N" und der Gefahrenbezeichnung "Umweltgefährlich" und gemäß den nachstehenden Kriterien auf den jeweiligen R-Sätzen versehen:

R 50 Sehr giftig für Wasserorganismen

und

R 53 Kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben


Akute Toxizität: 96 h LC50 (Fisch)    <= 1 mg/l

           oder  48 h EC50 (Daphnia)  <= 1 mg/l

           oder  72 h IC50 (Alge)     <= 1 mg/l

und der Stoff ist nicht leicht abbaubar oder der log Pow (log Oktanol/ Wasser Verteilungskoeffizient) >= 3,0 (es sei denn, der experimentell bestimmte BCF <= 100).

R 50 Sehr giftig für Wasserorganismen


Akute Toxizität: 96 h LC50 (Fisch)   <= 1 mg/l

           oder  48 h EC50 (Daphnia) <= 1 mg/l

           oder  72 h IC50 (Alge)    <= 1 mg/l

R 51 Giftig für Wasserorganismen

und

R 53 Kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben


Akute Toxizität: 96 h LC50 (Fisch)   1 mg/l < LC50 <= 10 mg/l

            oder 48 h EC50 (Daphnia) 1 mg/l < EC50 <= 10 mg/l

            oder 72 h IC50 (Alge)    1 mg/l < IC50 <= 10 mg/l

und der Stoff ist nicht leicht abbaubar oder log Pow >= 3,0 (es sei denn, der experimentell bestimmte BCF <= 100).