Zurück zur Gliederung. Zurück zu Schriftliche Hausarbeiten.

1.5. Das Pökeln

Neben dem Räuchern stellt das Salzen eines der ältesten Konservierungsverfahren, nicht nur von Fleisch und Fleischerzeugnissen, dar. Durch die hygroskopische Eigenschaft des Salzes wird dem Gewebe ein großer Teil des freien Wassers entzogen, wodurch die Lebensbedingungen vieler Mikroorganismen stark eingeschränkt werden. Auch viele Enzyme werden durch Kochsalz denaturiert. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, daß sich bestimmte Salze besonders eignen, wobei bei solch behandelten Produkten noch weitere vorteilhafte Eigenschaften auftreten: ein besonderes Gefüge (Textur) des Fleisches, angenehmer Geruch und Geschmack (Pökelaroma) sowie eine dem rohen Fleisch ähnliche rote Farbe (Pökelrot). Daneben besitzen diese Salze eine hemmende Wirkung auf das Wachstum verschiedener Bakterienstämme sowie auf einen oxidativen Fettabbau. So bezeichnet man das Behandeln von Fleisch und Fleischerzeugnissen mit einer Mischung aus Kochsalz und Salzen der salpetrigen Säure oder Salzen der Salpetersäure als Pökeln, die eingesetzten Mischungen als Pökelsalze.

1.5.1. Zur Geschichte

Aus dem Jahre 1787 stammt der erste Literaturhinweis auf die bewußte Beimischung von Salpeter. Das Salzen (Behandeln mit Kochsalz) wird heute nur noch bei Speck und Schweinebäuchen angewendet. Bis Anfang dieses Jahrhunderts wurden zum Pökeln Gemische aus Kochsalz und 2-10% Salpeter eingesetzt, bis (um 1920) Nitrit als der eigentliche Pökelstoff erkannt wurde. Eingesetzte Pökelsalze mit über 5% Nitritgehalt führten allerdings zu mehreren Nitritvergiftungen. In den 20iger Jahren wurde nach weiteren Untersuchungen ein Nitritgesetz erlassen, durch welches NPS nicht mehr als 0,5-0,6% NaNO2 aufweisen durfte.

       Pökelstoff              Produkt/Menge        Höchstmenge im Produkt                                                              
Nitrat + Nitrit    
    Nitritpökelsalz      zum Pökeln von Fleisch    Alle Erzeugnisse (auch    
    (99,5-99,6% NaCl     und Fleischerzeugnissen   kleine Schinken)          
    0,4-0,5% NaNO2)      (u.a. Brühwurst)          100ppm (als NaNO2)        
                         ausgenommen Erzeugnisse,  Rohschinken               
                         die traditionell ohne     150ppm (als NaNO2)        
                         Pökelstoffe hergestellt                             
                         werden                                              
      Kaliumnitrat       Rohschinken  600ppm       Rohschinken               
       (Salpeter)        Rohwurst     300ppm          600ppm (als KNO3)      
                                                   Rohwurst                  
                                                      100ppm (als KNO3)      
                         natriumarme               natriumarme               
                         Fleischerzeugnisse (u.a.  Fleischerzeugnisse (u.a.  
                         Brühwurst)   300ppm       Brühwurst)                
                                                      100ppm (als KNO3)      
   Nitritpökelsalz +     Rohschinken  300ppm       Rohschinken               
Kaliumnitrat (Salpeter)               Nitrat          600ppm (als KNO3)      

 

Tab. 1: Die Verwendung von Pökelsalz[17]

Nachdem in den 70iger Jahren die krebserregende Wirkung der N-Nitrosamine, die aus NO2- entstehen können, bekannt wurde, hatte dies eine weitere Herabsetzung des Nitritgehaltes zur Folge. In der 1980 erlassenen und heute gültigen Verordnung wurde der NaNO2-Gehalt im NPS auf 0,4-0,5% gesenkt. NaNO2 darf nur in Vermischung mit Kochsalz in den Handel gelangen. Auch die Anwendung von Salpeter wurde eingeschränkt (Tab. 1).

1.5.2. Die Entstehung des Pökelrotes

Die Pökelfarbe wird hauptsächlich durch die Reaktionen des Muskelfarbstoffes Myoglobin (Mb) bedingt.

1.5.2.1. Das Myoglobin

Dieses hat im lebendem Organismus die Aufgabe, Sauerstoff reversibel zu binden. Die auftretenden Farbveränderungen haben ihre Ursachen in den chemischen Besonderheiten des Muskelfarbstoffes, dessen Struktur 1932 von A.H.T. Theorell, Nobelpreisträger 1955, aufgeklärt wurde.

Myoglobin besteht aus einem Proteinanteil (w=96%) und einem nicht aus Aminosäuren aufgebautem Teil, der prosthetischen Gruppe (w=4%). Diese Gruppe, das Häm, stellt die farbgebende Komponente dar, womit Mb ein Chromoproteid ist. Grundgerüst des Häms sind vier Pyrrolringe, die durch Methinbrücken unter Ringschluß vereinigt sind und mit unterschiedlichen Seitenketten versehen sind. Inmitten dieser scheibenförmigen Ringstruktur (Protoporphyrin) befindet sich ein Eisen(II)-Kation, welches sowohl salzartig über zwei negativ geladene N-Atome, als auch über Nebenvalenzen an zwei andere gebunden ist. Es liegt also ein inneres Komplexsalz vor. Dieses ist jedoch koordinativ ungesättigt, da nur vier der sechs Koordinationsstellen des Eiseniones von N-Atomen besetzt sind. Eine der freien Koordinationsstellen wird durch das Proteinmolekül Globin eingenommen, wobei dieses über ein N-Atom einer Seitenkette des Histidins gebunden ist. Somit steht eine Koordinationsstelle für weitere Bindungspartner zur Verfügung. Je nach umgebendem Milieu können unterschiedliche Moleküle gebunden werden. Wird ein zweites Globinmolekül angelagert, so bezeichnet man das Ergebnis als "reduziertes Myoglobin" (Mb). Das Globin kann durch Sauerstoff verdrängt werden (MbO2). Auf entsprechende Weise können Kohlenstoffmonoxid (MbCO), Cyanid (MbCN) oder Stickstoffmonoxid (NOMb) gebunden werden. Letzteres verursacht die leuchtend rote Pökelfarbe (=Pökelrot). Die Umwandlung des Mb in NOMb wird entsprechend als Umrötung bezeichnet. Wie es zu einer NO-Entstehung kommt wird später erläutert.

Die Bindungsaffinität nimmt in der Reihenfolge von O2 zum NO stark zu, d.h., die Sauerstoffaufnahme wird durch all diese Stoffe verhindert und es kommt zu Vergiftungen. Die relativ starke Affinität von NO an das zentrale Fe2+ bedingt die Stabilität des Pökelfarbstoffes gegenüber Licht, Sauerstoff und Hitze. Mb und MbO2 sind dagegen sehr empfindlich gegenüber oxidierenden Einflüssen. Fe2+ wird dabei in Fe3+ überführt. Die prosthetische Gruppe heißt jetzt Hämatin. Die resultierende Ladung dieses Komplexsalzes ist einfach positiv, es können also negativ geladene Ionen gebunden werden. Wird Chlorid festgehalten, so liegt Hämin vor. Die entsprechenden Myoglobinformen bezeichnet man als Metmyoglobin (MetMb). Durch Licht-, Sauerstoff- oder Salzeinwirkung kommt es zur Denaturierung des Proteinanteils. Die entstehenden Verbindungen werden Myochromogene genannt. Im Extremfall wird die Eiweißkomponente auch abgespalten (z.B. Di-NO-häm).

Abb. 3 (GIF 12k): Häm[18], Hämatin, Hämin[19] , mit a=Häm, b=vereinfacht Hämatin, c=vereinfacht Hämin, Pfeil=freie Koordinationsstelle.

1.5.2.2. Entstehung des NO

Als Voraussetzung einer Umrötung muß also NO aus dem NO2- bzw. NO3- des NPS entstehen. Dazu sind Reduktionsvorgänge nötig.

Bei der Verwendung von Salpeter als Pökelsalz wird das Nitrat im Wurstgut ausschließlich durch die Stoffwechseltätigkeit bestimmter Mikroorganismen (z.B. Mikrococcus denitrificans, Achromobacter denitricum) in Nitrit verwandelt. Der weitere Abbau zu NO erfolgt entweder wie bei der NPS-Verwendung oder über eine vollständig "biologische Umrötung". Dabei werden Bakterienstämme eingesetzt, bei denen die NO-Synthese eine Zwischenstufe der Proteinsynthese darstellt. Das gebildete NO entweicht z.T. aus den Zellen und steht so für die Umrötung zur Verfügung. Der hohe Zeitbedarf macht das biologische Verfahren nur für länger gereifte Rohwurstsorten geeignet.

Bei einer Pökelung unter NPS-Einsatz liegt bereits Nitrit vor. Im weiteren Verlauf der chemischen Umrötung kann der Abbau auf mehreren Wegen erfolgen.

Ein spontaner Zerfall des NO2- erfolgt, wenn der pH-Wert entsprechend niedrig ist, so daß salpetrige Säure vorliegt (säurekatalysierter Zerfall, Abb. 4a). Diese Reaktion verläuft um so intensiver, je niedriger der pH-Wert ist. Das Optimum liegt auf jeden Fall unter pH=5.7, also einem Bereich, der für das WBV ungünstig ist und normalerweise bei der Brühwurst-Herstellung nicht vorkommt. Die notwendige Säuerung des Brätes kann entweder über eine Zugabe von Zuckerstoffen, die durch Mikroorganismen zu Milchsäure abgebaut werden, oder über GdL-Zusatz, das sich unter Wasseraufnahme in Gluconsäure verwandelt, erfolgen (Abb. 4b). Auch Zugabe von pH-senkenden Genußsäuren (Citronensäure) ist möglich.

Die NO-Bildung verläuft über eine Reduktion. Dazu sind fleischeigene enzymatische Redoxsysteme befähigt, zum einen das Cystein-Cystin-Redoxsystem (Abb. 4c) und reduziertes Ferrocytochrom-C unter Mitwirkung von NADH zum anderen (Abb. 4d). Wesentlich effektiver sind jedoch zugesetzte Reduktionsmittel, wie die L-Ascorbinsäure, die dabei zu L-Dehydroascorbinsäure oxidiert wird (e).

Alle eingesetzten Hilfsstoffe, die eine NO-Bildung fördern, werden als Pökelhilfsstoffe bezeichnet. Damit es zu einer ausreichenden Pökelfarbstoffentstehung kommt, müssen jedoch weitere Einflußfaktoren (Zeit, Temperatur, Mb-Gehalt im Fleisch) bei der Brätbehandlung berücksichtigt werden.[17] [19] [20]

Abb. 4 (GIF 4k): Möglichkeiten der NO-Bildung[20]

Durch die Umrötung entsteht also eine mit dem Auge erfaßbare Eigenschaft gepökelter Produkte. Jeder Wurstsorte wird dabei eine typische Farbe zugeordnet, die für den Verbraucher ein wichtiges Qualitätsmerkmal darstellt, auch wenn dieser Rückschluß unzutreffend ist und so oft über den Kauf mitentscheidet, denn "das Auge ißt mit".

Weiter.

Zurück zur Hompage Didaktik der Chemie . Zurück zur Hompage Universität Bayreuth .

Mail an: Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de