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1.4. Wursttechnologie

Unter Technologie versteht man die Lehre von der Verarbeitung der Rohstoffe zu Produkten. Da jedoch für jede Wurst eine spezielle Technologie erforderlich ist, werden im folgenden nur die beschrieben, bei denen ich freundlicherweise Einblick nehmen durfte.[13] Diese Würste wurden später dann auch analysiert. Dies waren im Einzelnen:

bulletGelbwurst (=P1)
bulletGöttinger (=P2)
bulletWiener Würstchen (=P3)
bulletFleischwurst aus dem Großmarkt (=P4)
bulletKalbsleberwurst (=P5) und
bulletMettwurst (=P6).

Manchmal erfolgte auch die Analyse einer "Ökowurst" (Fleischwurst, =P7). Die Rezepturen - soweit bekannt - sind im Anhang aufgeführt.

1.4.1. Brühwurst (P1, P2, P3, P4)

Das Wiener Würstchen soll hier hauptsächlich betrachtet werden. Bei der Zerlegung der Schlachttierkörper werden die geeigneten Magerfleischteile und Fettgewebsanteile ausgewählt und in großen Stücken in den benötigten Mengen bereitgestellt.

Abb. 2 (GIF 240k)a: Zutaten für Wiener Würstchen.

Fleisch und Fettgewebe werden zusammen im Fleischwolf vorzerkleinert und dann in den Kutter gegeben. Mit niedriger Umdrehungszahl der Messer werden einige Runden durchlaufen. Diesen Vorgang bezeichnet man als Trockenkuttern. Die Zellmembranen werden zerstört und das Fleischeiweiß wird frei. Ebenso werden die Bindegewebshüllen der Fettzellen zerstört. Nach und nach gelangen nun Kuttersalz, NPS und Gewürze hinein, bevor dann das zerstoßene Eis zugegeben wird.

Abb. 2 (GIF 240k)b-c: Würzen im Kutter; Zugabe von Eis.

Nun beginnt der eigentliche Kuttervorgang bei hoher Umdrehungszahl, ein technologisch wichtiger Schritt. Als Ziel hat er hitzestabile Wasser- und Fettbindung. Bei der natürlichen Salzkonzentration des Muskelgewebes (w=1% NaCl-Lsg.) sind die Strukturproteine ungelöst. Durch die NPS-Zugabe, die jedoch aus sensorischen Gründen begrenzt ist, steigt der Salzgehalt auf 3-4%, und somit die Löslichkeit, an (optimale Löslichkeit bei w=6% NaCl). Komplexe Vorgänge führen zu einer Lösung und Quellung, d.h. Entfernung der Filamente voneinander. Unterstützt wird dies durch das sensorisch unwirksame Kuttersalz, hier Na3HP2O7, welches zusätzlich Actomyosinkomplexe spaltet. Nur getrennte Filamente können quellen.

Wasser wird deshalb in Form von Eis zugesetzt, damit die beim Kutterprozeß durch Reibung eingebrachte Wärme kompensiert werden kann (Temperaturregulans). So wird eine Denaturierung der Proteine verhindert. Das durch Schmelzen entstehende Wasser dringt über osmotische Vorgänge in die Actin-Myosin-Zwischenräume ein und wird in der lockeren Proteinnetzstruktur immobilisiert, wodurch sich ein Wasser-Eiweiß-Gel bildet, in welches sich das zerkleinerte Fett einlagern und verteilen kann.

Am Ende des Kuttervorganges liegt eine pastöse, viskose, fließfähige Masse, das Brät, vor, welches eine schützende Hülle für den Erhitzungsvorgang benötigt. Dazu gelangt das Wurstbrät in den Trichter der Abfüllmaschine. Anschließend wird es in die vorher gewässerten Därme (hier Schafsaitlinge, vgl. Abb. 2d) gefüllt und dann zum Räuchern auf den Wagen gehängt.

Abb. 2 (GIF 240k)d-e: Füllen in den Darm und fertiges Produkt.

Nach dem Heißräuchern in einer Kammer bei ca. 80°C (0,5h) werden die Würste in einen mit ca. 90°C heißem Wasser gefüllten Kessel gegeben (Brühen) und schließlich langsam unter fließendem Wasser abgekühlt. Nun hat man das verkaufsfertige Produkt.

Bei Erhitzungsvorgängen, also Räuchern und Brühen, kommt es durch die hohen Temperaturen zur Denaturierung der Proteinmoleküle, wobei schon ab ca. 40°C das fibrilläre Netz zu koagulieren beginnt, während Myoglobin erst ab 60°C hitzeverändert wird. In dem entstandenen Netzwerk werden Wasser und Fett festgehalten. Auch das homogen verteilte Fett wirkt aktiv an der Stabilisierung des Eiweiß-Wasser-Fett-Gemisches mit. Es verhindert ein zu starkes Schrumpfen des Proteingerüstes bei der Hitzedenaturierung und damit Geleeabsatz im Endprodukt. Der Erhitzungsvorgang bedingt daneben die Haltbarkeit durch Inaktivierung von Enzymen und Mikroorganismen (ab 60-75°C) sowie die Ausbildung der Pökelfarbe und des -aromas. Die im Räucherrauch enthaltenen Bestandteile beeinflussen den Farbton und die Beschaffenheit (z.B. Knackigkeit) des Darmes. Gerinnungserscheinungen verhindern, daß der Rauch in die Tiefe eindringt.

Je nach gewünschtem Endprodukt wird bei der Brätherstellung anders verfahren. Bei ungepökelter Ware, wie der Gelbwurst, wird nur Kochsalz statt NPS zugegeben, auch die Räucherung entfällt. Ein zweiphasiges Arbeitsverfahren erfolgt bei der Göttinger, bei der in das beschriebene feinzerkleinerte Grundbrät durch einen zweiten Produktionsgang grob gekörntes Fleisch und Fettgewebe zugemischt werden.

Neben Na3HP2O7 gibt es noch weitere Möglichkeiten, auf das WBV positiv einzuwirken. Natriumcitrat (E331) ist ein Kuttersalz mit unspezifischer Wirkung: durch einen leichten pH-Wert-Anstieg (um 0,1 bis 0,2 Einheiten) erhöht es das WBV und unterstützt zusätzlich Kochsalz bei der Erhöhung der Ionenstärke (höhere Löslichkeit und Quellung der fibrillären Proteine).

1.4.2. Kochwurst (P5)

Die Technologie der Kochwurst unterscheidet sich nun erheblich davon. Das eingesetzte Fleisch und Fettgewebe wird in Stücken bei ca. 90°C vorgegart, bevor es im Kutter unter Zugabe von der Menge an Kesselbrühe, die dem Garverlust an Wasser entspricht, warm zerkleinert wird. Die Leber wird getrennt davon zerkleinert, mit NPS gesalzen (Quellung und Lösung der Eiweißstoffe) und dann roh zugegeben. Dabei sollte die Temperatur unter 60°C gesunken sein. Es wird gekuttert, bis eine homogene Masse entstanden ist. Das feinverteilte Fett umhüllt dabei die Fleisch- und Leberteilchen, wodurch die Streichfähigkeit gewährleistet wird. Die Emulgierung des Fett-Wasser-Gemisches übernehmen die gelösten Proteine der Leber. Dazu ist ein Leberanteil von mind. 20% notwendig. Das "sahnige Mundgefühl" des Endproduktes kommt durch die starke Gewebszerkleinerung beim Kutterprozeß zustande. Nachdem die Masse bei Temperaturen noch über 30°C (da sonst Entmischung der Emulsion stattfindet) in Därme (hier Kunstdärme) abgefüllt wurde, werden die Würste bei mindestens 75°C Kerntemperatur gebrüht, um sie haltbar zu machen.

Im Anschluß an das Abkühlen erfolgt eine Kalträucherung bei 12-15°C sowie der Überzug der Würste mit einer Tauchmasse, die das Austrocknen, Ranzigwerden sowie einen Gewichtsverlust verhindern soll. Bei leberarmen Rezepturen werden zusätzlich Emulgatoren zugesetzt. Zulässig sind Mono- und Diglyceride und deren Ester mit Citronen- und/oder Milchsäure.

1.4.3. Streichfähige Rohwurst (P6)

In das im Kutter zerkleinerte Fettmaterial wird das gewolfte, gut gekühlte Magerfleisch eingearbeitet, dann wird bis zur gewünschten Körnung weitergekuttert. Dabei umhüllen die verteilten Fetteilchen die Fleischpartikel. Zum Ende dieses Prozesses werden die Gewürze, NPS und Hilfsstoffe zugegeben. Die Starterkulturen werden getrennt davon beigemengt. Dann folgt das Abfüllen in die jeweiligen Därme (hier Kunstdärme). Die sich anschließende Reifung beeinflußt den Charakter der fertigen RW erheblich. Die Aromagebung kann durch die ausgewählten Bakterienstämme (ihre Stoffwechselprodukte) gesteuert werden. Abbauprodukt einiger Mikroorganismen ist die Milchsäure, was eine pH-Wert-Senkung bedingt, die letztlich auch die Haltbarkeit (Absterben vieler Keime) verursacht. Um eine schnelle und sichere Säuerung zu erreichen, werden in geringen Mengen Zuckerstoffe als Substrat für die Mikroorganismen zugesetzt.

Bei Mettwurst werden die äußeren Bedingungen wie folgt gewählt: Temperatur 20-25°C, 85-90% relative Luftfeuchtigkeit, 6-18h Kaltrauch. Nach ca. 3 Tagen ist hier der Reifungsprozeß, in dem die Umrötung, pH-Wert-Senkung, Wasseraktivität-Senkung, Aromatisierung und Räucherung vereinigt sind, abgeschlossen. Die bei der Reifung wichtigen Einflußfaktoren Luftfeuchtigkeit, Luftbewegung und Temperatur können heute automatisch in Reifekammern gesteuert werden, so daß durch optimale Bedingungen Fehlprodukte, wie z.B. Trockenrandbildung und Darmfaltung, verhindert werden.[12] [13] [14] [15] [16]

Innerhalb all der genannten Arbeitsschritte gibt es nun viele Variationsmöglichkeiten, so daß ein rezeptur- und sortenbedingtes Programm zu einem Produkt mit den gewünschten sensorischen Eigenschaften führt. Mit zu der Technologie einer Wurstsorte gehört die Zugabe von Kochsalz oder NPS. Dieses verursacht die schon erwähnte Pökelung der Produkte.

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