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3.3. Vorschläge für einen projektorientierten Unterricht

Die Wurst gehört zum festen Bestandteil des Speiseplans fast jeden Schülers und ist somit ein vertrautes "Phänomen". Deshalb eignet sich dieses Thema gut, um im Rahmen eines Projektes chemische Sachverhalte alltagsnah zu beleuchten. In der Realschule stößt man aber bei der Durchführung auf einige Probleme:

bulletUm die Zusatzstoffe aus chemischer Sicht betrachten zu können, sind gewisse Grundkenntnisse der Chemie und Erfahrung mit Methoden der Analytik notwendig. Die Chemie setzt zum einen erst ab der 9. Jahrgangsstufe ein, zum anderen sind Übungsstunden, in denen Schüler Umgang mit Chemikalien und Geräten lernen, nicht verpflichtend. Gleichzeitig ist eine Projektdurchführung in der 10. Jahrgangsstufe wegen der bevorstehenden Abschlußprüfung und dem damit oft verbundenen Zeitdruck wohl auch z.B. vor den Weihnachtsferien nicht möglich.
bulletIm Lehrerkollegium muß eine Absprache stattfinden, an welchen Tagen ein Projekt durchgeführt wird, bzw. welcher Lehrer welche Klasse leitet.
bulletUm das Thema auch unter chemischen Aspekten behandeln zu können, die Schüler aber dabei nicht zu überfordern, sind weitgehende Vereinfachungen des komplexen Themas aus der Lebensmittelchemie sowie intensive Betreuung und Leitung bei den Versuchsdurchführungen durch die Lehrer notwendig.

Deshalb kann hier nur ein projektorientierter Unterricht vorgeschlagen werden. Es sollen nun einige Anregungen in Anlehnung an den 4-Stufen-Plan von R. Demuth [49] gegeben werden, und zwar für einen dreitägigen projektorientierten Unterricht in der 9. Jahrgangsstufe. Auf genauere Ausführungen sei aber verzichtet, da einerseits keine Praxiserfahrung mit dem Thema vorliegt, andererseits die Schüler letztlich entscheiden sollen, was im Einzelnen durchgeführt wird.

Im Vorfeld, jedoch zeitlich nicht zu weit entfernt, erkundigt sich der Lehrer z.B. im Anschluß an eine Pause, was Schüler gerade gegessen haben und über ihre allgemeinen Eßgewohnheiten. Dabei fallen sicherlich die Stichworte Wurst und Würstchen vom Imbißstand. Die Frage kann aufgeworfen werden, weshalb das Wiener Würstchen so rot ist und wie so eine Wurst überhaupt entsteht. Sollten die Schüler an Hintergründen Interesse bekunden, kann der Lehrer das geplante (!) Projekt ankündigen.

1. Tag (5 Unterrichtsstunden, Stufe der Anregung, Stufe der gemeinsamen Planung)

Der Lehrer informiert sich im Unterrichtsgespräch über den Wissensstand der Schüler. Er trägt die Produktgruppen vor und definiert Begriffe wie z.B. Zusatzstoff. Dabei könnte die Frage auftauchen, was die Bezeichnung "mit Phosphat" zu bedeuten hat. Die Schüler sammeln in Gruppenarbeit Vorschläge und Fragen zum Thema (1h). Diese werden dann vorgetragen und diskutiert. Gemeinsam werden die Arbeitsziele und die Aufgabenstellungen formuliert und an der Tafel festgehalten. Der Lehrer greift bei unrealisierbaren Zielen ein und hilft beim Aufstellen der Arbeitspläne. Die von den Schülern zu den einzelnen Fragestellungen geäußerten Vermutungen werden gesammelt und aufgelistet (2h). Nach der Gruppeneinteilung stellt der Lehrer den betreffenden Schülern die Arbeitsanweisungen für die chemischen Analysen zur Verfügung. Die Schüler sollen diese bis zum nächsten Tag durcharbeiten. Der Lehrer muß alle notwendigen Vorbereitungen treffen (Festlegen von Terminen mit fachkundigen Personen, Herstellen der Reagenzien, Bereitstellen von Literatur usw.).

2. Tag (6 Unterrichtsstunden, Stufe der Ausführung)

Eine Arbeitsgruppe (4 Schüler) könnte den Fragen "Wie entstehen das Wiener Würstchen, die Leberwurst und die Mettwurst?" sowie "Aus welchen Bestandteilen und warum sind diese Würste genau so zusammengesetzt?" nachgehen. Unter Begleitung eines Lehrers könnte dazu ein Handwerksbetrieb besichtigt werden, die Schüler stellen dem Meister Fragen und dokumentieren wichtige Arbeitsschritte mit Photos. Die Schüler haben auch die Aufgabe, anschließend das Mengenverhältnis Rohstoffe zu Zusatzstoffe bildlich darzustellen.

Zu beachten dabei ist, daß wegen der Wärme in den Sommermonaten die Produktionszeiten der Metzgereien von 4 Uhr bis ca. 10 Uhr sind, also ein baldiges Aufstehen unumgänglich ist. Außerdem muß ein Betrieb ausfindig gemacht werden, der einen Einblick in die laufende Produktion gestattet, was nicht immer einfach ist. Der Film muß noch an diesem Tag entwickelt werden.

Sich mit den theoretischen Grundlagen der Zusatzstoffe auseinanderzusetzen ist die Aufgabe einer anderen Arbeitsgruppe (4 Schüler). In einer Liste, die evtl. vom Lehrer vorbereitet wurde, sollen die auf dem Zutatenverzeichnis enthaltenen Zusatzstoffe angekreuzt werden. Dazu wird vorverpackte Ware aus einem Großmarkt besorgt. Mit Hilfe von bereitgestellter Literatur könnten die Schüler die E-Nummern entschlüsseln und die Verbindungen kurz charakterisieren. Eine Fachkraft des Ordnungsamtes könnte kurz über rechtliche Grundlagen referieren.

Eine dritte Gruppe (4 Schüler) könnte das Ziel verfolgen, Würste selbst herzustellen. Die Schüler entscheiden sich für ein Rezept aus einem Kochbuch [56]. Fehlendes Zubehör (z.B. Därme, Gewürze) kann in jedem Fachgeschäft für Metzgereibedarf besorgt werden. Der (Hauswirtschafts)lehrer sollte dabei über Erfahrung verfügen, um zu viele Mißerfolge zu vermeiden. Außerdem sollen ernährungsphysiologische Aspekte erörtert werden.

Eine weitere Arbeitsgruppe könnte der Aufgabenstellung, die Pökelfarbe genauer zu durchleuchten, nachgehen. Um die Frage, wie der Farbeindruck der Gelbwurst entsteht, zu klären, muß der Lehrer Literatur bereitstellen, anhand derer sich die Schüler informieren können.

Eine Teilgruppe (2 Schüler) führt die Bestimmungsmethoden nach HORNSEY (Zeitbedarf 3h) durch, eine andere den Nachweis von L-Ascorbinsäure (2h). Wie tief hier in die Thematik eingestiegen werden kann, und ob eine NO2--NO3--Bestimmung (4h) von einer weiteren Teilgruppe (2 Schüler) durchgeführt werden kann, ist nun stark von den Schülern (Vertrautheit mit der Analytik) und von der Ausstattung der Schule mit entsprechenden Geräten abhängig.

Die Teilgruppen informieren sich gegenseitig über ihre Ergebnisse, bevor diese gemeinsam diskutiert werden. Der Lehrer informiert die Schüler dabei über die Sachverhalte. Ein Ziel ist die Erarbeitung einer vereinfachten Darstellung der Umrötung (2-3h).

Abb. X: Erwartetes Schema der Schüler für die Umrötung

Mit dem Problem, was Phosphat in der Wurst zu suchen hat, könnten sich zwei Arbeitsgruppen beschäftigen. Eine Gruppe (4 Schüler) könnte dabei den qualitativen Nachweis von Phosphaten (3 h) durchführen, um zu erörtern, bei welchen Produktgruppen Phosphate bzw. welche Phosphate enthalten sind. Unter Mithilfe des Lehrers wird erarbeitet, wie das Diphosphat wirkt und in welchen Mengen es zugesetzt wird. Die Schüler sollen weitere ihnen schon bekannte Phosphorverbindungen nennen, evtl. auch aus dem Alltag (1 h). Bei gelungenen DC-Folien könnten die Schüler anhand von Eich-DCs, die vom Lehrer angefertigt wurden, die eingesetzte Diphosphatmenge selbst bestimmen (0,5 h). Welchen Anteil dieses Diphosphat nun am natürlichen Phosphorgehalt ausmacht, könnte anschließend eine Teilgruppe (2 Schüler) erarbeiten, die Spaß daran findet, sich auch noch nachmittags "in das Labor zu stellen". Bei dieser Versuchsdurchführung sollte ein Lehrer den Ablauf unbedingt ständig verfolgen. Im Anschluß an die praktischen Versuche soll jede Teilgruppe ihr Ergebnis in Kurzform aufschreiben und auswerten.

3. Tag (6 Unterrichtsstunden, Stufe der Ergebnissicherung)

Gemeinsam werden die einzelnen vorgetragenen Ergebnisse diskutiert und mit den Vermutungen des 1. Tages verglichen. Dann könnten die selbst hergestellten Würste probiert werden. Mit Hilfe deren sensorischer Eigenschaften könnte erörtert werden, wie die Verbrauchererwartungen Einfluß auf die Produktion von Lebensmitteln nehmen können (3h). Die einzelnen Arbeitsgruppen fertigen dann Plakate an, wobei die Gestaltung als Kollage, Zeichnung, Graphik etc. den Schülern überlassen wird (3h). Ein Kunsterziehungslehrer stellt die Materialien bereit und gibt Ratschläge. Die Plakate sollen zum nächsten Schulfest ausgestellt werden. Auch ein Artikel für die Schülerzeitung könnte verfaßt werden; beim nächsten Schulfest könnten "hausgemachte" Würste verkauft werden.

Es sei darauf hingewiesen, daß die genannten Ziele Anregungen sind, die, schülerbezogen, verändert werden müssen und können. Die zu analysierenden Proben sollen von den Schülern selbst mitgebracht werden. Dieses Thema soll auch dazu beitragen, die Unsicherheiten der Schüler als Verbraucher zu beseitigen und die Urteilskraft dieser gegenüber Informationen aus den Medien zu stärken.

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