Multimedia
9 Animationen
und Simulationen
Ziel der Lehreinheit ist es, Sie in die Lage zu
versetzen, Animationen und Simulationen aus dem WWW für Unterrichtszwecke zu bewerten und zu nutzen.
9.1 Animationen
Es gibt keine einheitlich akzeptierte Definition für Animationen. Beispiele:
- „Animations - be they computer, film, video or other media-based -
differ from static diagrams in presenting a series of rapidly changing
static displays, giving the illusion of temporal and spatial movement” [1,
S. 196];
- “Any application which generates a series of frames, so that each frame
appears as an alteration of the previous one, and where the sequence of
frames is determined either by the designer or the user” [2, S. 313]
- “Animation refers to a simulated motion picture depicting movement of
drawn (or simulated) objects” [3, S. 88].
Synopsis: “Darstellung eines Prozesses mittels gezeichneter Bilder, deren
graphische Struktur sich im Ablauf dynamisch ändert“ [4, S. 16].
Allen Animationen ist gemeinsam, dass die graphische Darstellung sich ändert
durch Transformation (Änderung von Eigenschaften eines Objekts),
Translation (Änderung der Position von Objekten) oder Transition
(Erscheinen oder Verschwinden von Objekten. [5, S. 159]
9.2 Simulationen
Simulationen bauen auf Animationen auf:
„A special kind of interactive animation. In addition to animated pictures
and texts, simulations provide interactivity for the learner by the means of
parameter choice” [6, S. 160]
Der Lernende kann „den Ablauf und [den] Endzustand des simulierten Vorgangs
beeinflussen“ und damit einen „erheblichen Anteil an der Steuerung und der
aktiven Gestaltung seines Lernprozesses“ haben [7, S. 9)].
Also: Simulationen sind Animationen, bei denen der
Nutzer Ablauf und Endzustand des simulierten Vorganges beeinflussen kann.
9.3 Die Cognitive-Load-Theorie [8]
Die Theorie bezieht sich auf das Mehrspeichermodell des menschlichen
Gedächtnisses: sensorisches Gedächtnis, Arbeitsgedächtnis und
Langzeitgedächtnis.

Folie: Mehrspeichermodell des Gedächtnisses nach
Sweller.
Die kognitive Auslastung bzw.
Belastung ist definiert als die mentalen Aktivität des Arbeitsgedächtnisses bei einem Probanden,
die durch eine zu lösende Aufgabe bedingt ist. Man unterscheidet:
- inhaltsbezogene Auslastung („intrinsic load“). Sie wird durch die
Komplexität der vermittelten Lerninhalte bestimmt, ihre Höhe wird durch das
Vorwissen der Lernenden beeinflusst. U.U. tritt der „expertise reversal
effect“ auf (vgl. [9]), (siehe 4. in der Auflistung unten).
- Unterrichtsbezogene Auslastung („extraneous load“). Sie wird durch die
Art der Darstellung und der Vermittlung der Lerninhalte in der
unterrichtlichen Umsetzung bedingt.
- Lernabhängige Auslastung („germane load“). Sie beschreibt die notwendige
Auslastung für die Verarbeitung der gebotenen Informationen im Hinblick auf
die Übertragung in das Langzeitgedächtnis.
Die Komponenten der kognitiven Auslastung werden als additiv angesehen; d.h.,
eine Beeinflussung einer Komponente kann aufgrund der begrenzten Kapazität eine
Überlastung des Arbeitsgedächtnisses auslösen („overload“).
Beim multimedialen Lehren kann das Problem auftauchen, dass die
unterrichtsbezogene Belastung durch die Gestaltung erhöht wird. Dies gilt es zu
vermeiden.
Beispiele, bei denen es zur Überschreitung des Cognitive Load kommen kann:
- Effekt der geteilten Aufmerksamkeit (Split-Attention-Effekt).
- Der Nutzer eines Mediums muss seine Aufmerksamkeit zwischen
mindestens zwei verschiedenen Informationsquellen aufteilen und
gleichzeitig die Inhalte dieser beiden Quellen verarbeiten und
zusammenfügen. Dabei sind Informationen aus beiden Quelle für das
Verständnis des Gesamtzusammenhangs nötig [10].
- Zwei Arten: räumlich (spatial contiguity effect) und
zeitlich (temporal contiguity effect) (vgl. z.B. [11])
- Räumlicher Effekt: räumlich integrierter Text (z.B. in einem Bild)
gegenüber separat geschriebenem Text. In eye-tracking-Untersuchungen
wurde gezeigt, dass Lerner bei integriertem Text länger auf den Ort des
Geschehens schauten als Lerner bei separatem Text; dabei korreliert die
Lernleistung positiv mit der Zeit, die der Nutzer auf diesen Ort blickt.
Schlussfolgerung als Gestaltungsprinzip: Integration von geschriebenen
Text in das Lernangebot selbst (vgl. [12].
- Zeitlicher Effekt: ebenfalls Integration notwendig. Nutzer lernen
besser, wenn zusammengehörige Texte, sowohl akustisch als auch
geschrieben, und Bilder zeitgleich präsentiert werden (temporal
contiguity principle[11]).
- Modalitätseffekt (modality effect).
- Basis: Duale Codierung (vgl. [11]).
- Gleichzeitige Präsentation von Bild und Ton lernförderlicher als
Bild und Text (mögliche Überlastung des visuellen Kanals, kein
räumlicher split-attention-Effekt; vgl. [12]).
- Redundanz-Effekt (redundancy effect).
- Der Lernende erhält die gleiche Information über mindestens zwei
verschiedene Wahrnehmungskanäle (z.B. Bilder, geschriebene Texte u./o.
Audiokommentare [13].
- Problem des reverse redundancy effect bei fremdsprachigen Medien:
lernförderliche, zusätzliche Texte gegenüber nur Audiokommentare (vgl.
[14].
- Expertise-Umkehr-Effekt (expertise reversal effect; vgl. [15])
- In vielen Lernangeboten werden Lernenden inhaltliche Hilfestellungen
durch schriftliche u./o. akustische Erklärungen gegeben. Deren Nutzen
hängt jedoch von ihrem Vorwissen ab; bspw. ist eine zusätzliche
Erklärung neben einer Graphik für Novizen mit keinem oder nur wenig
Vorwissen hilfreich, für Experten mit großem Vorwissen eher
lernhinderlich. Diese belasten damit ohne Wissenszuwachs ihr
Arbeitsgedächtnis.
- Folgerung: Abgleichen des Lerner-Vorwissens und des für ein Medium
notwendigen Vorwissens.

Folie: Duale Codierung
9.4 Bewertung von Animationen und Simulationen
Die folgende Tabelle fasst wesentliche Eigenschaften von Animationen und
Simulationen zusammen (vgl. [4] und [16]) und ist Grundlage der Bewertung
(download Bewertungsbogen
und Beispiel für die
Anwendung des Bewertungsbogens).
9.5 Übungen
Laden Sie zu den Übungen einen
Bewertungsbogen herunter
und legen Sie später für jedes der insgesamt zu bewertenden Lernangebote einen
an.
Übung 1: Kategorien zur Bewertung
von Animationen
- Öffnen Sie den Bewertungsbogen für die folgende Übung und speichern Sie
ihn unter der Bezeichnung kategorien_beispiele ab. Kopieren Sie sich während
der Übung jeweils die Links für die entsprechenden Beispiele in den
Bewertungsbogen.
- Öffnen Sie die beiden ersten Animationen und speichern Sie diese auf
Ihrem Stick ab (Seite speichern unter). Schließen Sie den Browser und testen Sie die
Funktionsfähigkeit beim Start vom Stick aus.
A1:
http://highered.mheducation.com/olc/dl/120068/bio03.swf
A2:
http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/16/schulmaterial/fermentation/
fermentation.vlu/Page/vsc/de/ch/16/schulmaterial/fermentation/
impfmaterial_animation.vscml.html.
- Öffnen Sie die nächsten Animationen und bewerten Sie die Kategorien
Dimensionalität, Programmablauf, Wahlmöglichkeiten, inhaltlicher Aufbau und
Rahmen bei den drei Beispielen (Achtung: vollständig ablaufen lassen!).
A3:
https://www.youtube.com/watch?v=PILzvT3spCQ&feature=related ;
A4:
http://www.educapoles.org/multimedia/animation_detail/biodiversity_coral_reefs/
;
A5:
http://www.kscience.co.uk/animations/anim_2.htm
.
- Öffnen Sie die nächsten Beispiele und bewerten Sie die
Darstellungsweise mit jeweils einem der drei Kategorien-Werte.
A6:
https://www.planet-schule.de/sf/php/mmewin.php?id=28 (hier müssen Sie
sich im Verlauf der Simulation jeweils für eine von zwei Möglichkeiten
entscheiden);
A7:
https://earthobservatory.nasa.gov/GlobalMaps/view.php (mit copy/paste in
den Browser übertragen): Wählen Sie eine Karte aus und starten Sie die
Animation.
A8:
https://www.planet-schule.de/sf/php/mmewin.php?id=189
.
- Vergleichen Sie die beiden Simulationen im Hinblick auf die
Parameter-Wahlmöglichkeiten
S9:
http://www.kscience.co.uk/animations/model.swf ;
S10:
https://www.planet-schule.de/sf/php/mmewin.php?id=8 .
- Vergleichen Sie die folgenden Lernangebote im Hinblick auf den
Redundanzeffekt.
A11:
https://www.youtube.com/watch?v=RNmP_g8Baww
;
A12:
https://www.wiley.com/college/strahler/0471480533/animations/
ch23_animations/animation1.html (evt. mit copy und paste übertragen).
- Vergleichen Sie die folgenden Lernangebote im Hinblick auf den
Modalitätseffekt.
A13:
https://www.planet-schule.de/sf/php/mmewin.php?id=150 ;
S14:
http://www.learner.org/courses/envsci/interactives/ecology/ecology.html
- Vergleichen Sie die folgenden Lernangebote im Hinblick auf den
Split-Attention-Effekt und mögliche Störfaktoren.
A15: http://kinder.wald.de (Auswahl „Wie
lebt der Wald?“)
A16:
http://www.educapoles.org/multimedia/animation_detail/
biodiversity_in_the_north_sea.
- Beurteilen Sie die beiden folgenden Animationen im Hinblick auf
angebotene Hilfen.
A17:
https://www.planet-schule.de/sf/php/mmewin.php?id=150 (finden Sie hier
auch die fachlichen Mängel?)
A18:
https://www.planet-schule.de/mm/funktion-brennstoffzelle/
.
Übung 2: Untersuchung der Animation
"Überdüngung eines Gewässers"
-
Öffnen Sie im
Browser die Animation
https://www.planet-schule.de/sf/multimedia-interaktive-animationen-detail.php?projekt=gewaesser-ueberduengung
.
- Wenden Sie den Bewertungsbogen an und charakterisieren Sie die
Animation.
Übung 3: Untersuchung der Simulation "Kaninchen
und Wölfe"
- Öffnen Sie im Browser die Seite
http://www.shodor.org/interactivate/activities/RabbitsAndWolves
- Wenden Sie den Bewertungsbogen an und charakterisieren Sie die
Animation.
Übung 4: Ein
Unterrichtsvorschlag: die Simulation SimBioSee
- Laden Sie sich zunächst hier die
Simulation SimBioSee (eine
zip-Datei) auf Ihren Stick, entpacken Sie sie in einen eigenen Ordner und
laden Sie sich zusätzlich das
Arbeitsblatt herunter.
- Starten Sie die Datei SimBioSee im Unterordner sim_instruct des
entstandenen Ordners SimBioSee.
- Lesen Sie im Programm zunächst die Informationen zur Programmbedienung
und gehen dann zum Kapitel Der See des Barons über.
- Lösen Sie die Aufgaben anhand des Arbeitsblattes. Beachten Sie die
Anleitung und die Fragestellung:
a) Untersuchen Sie, ob die Anleitung vollständig ist.
b) Geben Sie an, welche Parameter Sie in welche Richtung ändern müssen,
damit die Simulation erfolgreich verläuft.
c) Notieren Sie, an welcher Stelle die Aufgabenstellung unklar ist.
Quellen:
[1] Betrancourt, M., & Tversky, B. (2000). Effects of
computer animation on users’performance: a review. Le travail humain, 63,
311–329.
[2] Scaife, M., & Rogers, Y. (1996). External cognition:
how do graphical representations work? International Journal of. Human –
Computer Studies, 45 , 185–213.
[3].Mayer, R, & Moreno, R. (1999). A Cognitive Theory of
Multimedia Learning: Implications for Design Principles, Instructional
Technology, Handbook of applied Cognition, Durso: Wiley.
[4] Herrmann, C. (2012). Animationen und Simulationen zu
zentralen Begriffen der Biologie der Mittelstufe: Recherche, Kategorisierung und
Bewertung. Masterarbeit Fachdidaktik Biologie. Unveröff. Manuskript, Universität
Bayreuth.
[5] Lowe, R. K. (2003). Animation and learning: selective
processing of information in dynamic graphics. Learning and Instruction, 13,
157-176.
[6] Nerdel, C., & Prechtl, H. (2004). Learning complex
systems with simulations in science education. In P. Gerjets et al. (Eds.),
Instructional design for effective and enjoyable computer-supported learning:
Proceedings of the first joint meeting of the EARLI SIGs ‘‘Instructional
Design’’ and ‘‘Learning and Instruction with Computers’’ (pp. 160–177).
Tübingen: Knowledge Media Research Center.
[7] Nerdel, C (2002). Die Wirkung von Animation und
Simulation auf das Verständnis von Stoffwechselphysiologischen Prozessen,
Dissertation, Christian-Albrechts-Universität Kiel. http://eldiss.uni-kiel.de/macau/receive/dissertation_diss_727
(online 9.6.2013).
[8] Sweller, J., van Merriënboer, J., & Paas, F. (1998).
Cognitive architecture and instructional design. Educational Psychology Review,
10, 251–296.
[9] Kalyuga, S. (2010). Schema Acquisition and Sources of
Cognitive Load. In Plass, J. L., Moreno, R., Brünken, R. Cognitive Load Theory.
New York: Cambridge University Press.
[10] Ayres, P., Sweller, J. (2005). The
split-attention-principle in multimedia learning. In R. E. Mayer (Ed.) (2005).
The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (S. 135-146). New York, NY:
Cambridge University Press.
[11] Mayer, R. E. (2001). Multimedia Learning. New York:
Cambrigde University Press.
[12] Schmidt-Weigand, F., Kohnert, A., Glowalla, U.
(2010). Explaining the Modality and Contiguity Effects: New Insights From
Investigating Students’ Viewing Behaviour. Applied Cognitive Psychology, 24,
226–237.
[13] Sweller, J. (2005). The Redundancy Principle in
Multimedia Learning. In R. E. Mayer (Ed.) (2005). The Cambridge Handbook of
Multimedia Learning (159-169). New York, NY: Cambridge University Press.
[14] Toh, S.C., Munassar, W.A.S., Yahaya, W.A.J.W, (2010).
Redundancy effect in multimedia learning: A closer look. Proceedings ascilite
Sydney, 988–998.
http://www.ascilite.org.au/conferences/sydney10/procs/Toh-full.pdf (online
12.6.2013).
[15] Kalyuga, S., Ayres, P., Chandler, P. & Sweller, J.
(2003). The expertise reversal effect. Educational Psychologist, 38, S. 23-31.
[16] Bauer, D. (2013). Animationen und Simulationen zu
ökologischen Begriffen im Biologieunterricht der Mittelstufe: Recherche,
Kategorisierung und Bewertung. Masterarbeit Fachdidaktik Biologie. Unveröff.
Manuskript, Universität Bayreuth.
Download der Folien
als PowerPoint-Datei
E-Mail:
Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de
|