C 14.10

Chemische Experimente für die Grundschule

Das Sieden

L S

Zeitbedarf: 15 Minuten.
Kompetenz/Ziel: E, B: Selbständiges, genaues Beobachten; isolieren des Unbekannten vom Bekannten. Unterscheidung der Beobachtung von der Deutung. Alltagsphänomene erklären. K: Beratung in der Gruppe.
Material:
  • Erlenmeyerkolben 250mL (besser) od. Becherglas 250mL
  • Thermometer T<110°C (evtl. IR-Thermometer)
  • Magnetrührer, heizbar (besser) oder Kartuschenbrenner
  • Löffelspatel
Chemikalien:
  • Leitungswasser
  • Sägespäne
Vorbereitung: 150mL frisches, kaltes Leitungswasser werden einige Stunden vor Versuchsbeginn in das Gefäß (Erlenmeyer oder Becherglas) gefüllt. Das Gefäß muss danach ruhig bei Raumtemperatur stehen.
Beobachtung1: An der Gefäßwand sammeln sich Gasbläschen.
Problem 1: Überlegen: Welches Gas könnte sich in den Bläschen befinden?
Deutung 0:
(Gymnasium)
Schüler haben z.B. folgende Möglichkeiten, zielgerichtet zu antworten:
  1. Wasserdampf - muss falsch sein, da sich jeder überzeugen kann, dass die Siedetemperatur noch nicht erreicht ist.
  2. "Kohlensäure" (für CO2) - denkbar und hier nicht falsifizierbar.
  3. Wasserstoff / Sauerstoff (aus H2O) - ist falsch (müssen die Schüler glauben) da durch so geringfügiges Erhitzen Wasserteilchen nicht zerlegt werden können (sonst müsste Knallgas entstehen. Test?)
  4. Sauerstoff (aus der Luft, vorher gelöst) - richtig, aber nicht vollständig.
  5. Luft - fast ganz richtig.

In den Gasbläschen befindet sich ein luftähnliches Gasgemisch.

Hintergrund: Das Gas war ursprünglich im Wasser gelöst. Da sich die Löslichkeit und das Ausmaß ihrer Temperaturabhängigkeit z.B. von N2, O2 und CO2 stark unterscheiden, wird man in den Bläschen nicht exakt die Mischung finden, wie sie in der Luft vorliegt.
Durchführung2: Ca. ein halber Löffelspatel Sägespäne wird zugeben und das Thermometer eingetaucht. Dann das Gefäß auf den Magnetrührer stellen und die Sägespäne zur Ruhe kommen lassen. Jetzt erst die Heizquelle einschalten.
Beobachtung2: Ein Teil der Sägespäne setzt sich langsam am Boden ab, ein anderer schwimmt an der Oberfläche. Das Thermometer zeigt Raumtemperatur minus 1-2°C. Bei Zufuhr von Wärme fangen sie an, sich auf und ab zu bewegen.
Problem 2: Überlegen: Was könnte die Ursache für die Bewegung der Sägespäne sein?
Deutung 2:
  1. Das Wasser muss sich bewegen und nimmt die Späne mit.
  2. Konvektionsströmung: warmes Wasser steigt auf Grund seiner geringeren Dichte auf, kälteres sinkt nach unten. Die Sägespäne machen dieses Phänomen, das sich ansonsten in Schlieren äußert, besser sichtbar.
Problem 2a: Überlegen: Wie lange wird die Bewegung der Sägespäne anhalten?
Deutung 2a: Bis zur vollständigen Erwärmung auf 100°C und guter Durchmischung.
Beobachtung3: Von der Versuchsanordnung geht nach ca. 5-6 Minuten ein "Singen" aus, kurz bevor es kocht. Das Thermometer steigt und zeigt etwa 50°C an.
Deutung 3: Am Gefäßboden entstehen Wasserdampfbläschen, die aber sofort wieder kollabieren, da das darüber liegende Wasser noch nicht 100°C erreicht hat. Das Kollabieren verursacht die Geräusche, die je nach Gefäß in der Tonhöhe variieren ("Teekesselsingen"). Beobachtung kann uns hier nicht zur Deutung führen, da mit dem freien Auge nicht viel zu sehen ist.
Beobachtung4: Am Boden entstehen Gasblasen.
Problem 4: Beobachten: Wie weit steigen die Gasblasen?
Deutung 4: Die Gasblasen steigen nicht bis zur Oberfläche, sondern werden nach und nach kleiner und verschwinden.
Beobachtung5: Das Wasser beginnt zu Brodeln, große Blasen steigen bis zur Oberfläche. Das "Singen" verschwindet. Das Thermometer zeigt etwa 100°C.
Deutung 5: Die Wasserdampfblasen können deshalb ganz hoch steigen, weil das umgebende Wasser 100°C erreicht hat.
Beobachtung6: Aus dem Gefäß entweicht weißlicher "Dampf".

 

Problem 6: Überlegen: Kann es sich bei dieser "weißlichen Erscheinung" um Wasserdampf handeln?
Hilfe: Halte deine Hand etwa 15cm über das Gefäß in den "Dampf". Ab etwa 60°C würde man sich die Haut schmerzhaft verbrennen. Wie heiß schätzt du den "Dampf"? Wie heiß sollte Wasserdampf eigentlich sein?
Deutung 6: Wasserdampf ist über 100°C heiß und nicht sichtbar. Was wir sehen sollten wir als Dunst oder Nebel bezeichnen: es handelt sich um in der kalten Luft bereits kondensierte kleine Wassertröpfchen.
Ergänzung 6: Beweis: ziehe das Thermometer langsam aus dem Wasser heraus. Versuche festzustellen, in welcher Zone Dampf und in welcher Dunst vorkommt.
Entsorgung: Ausguss. Sägespäne ggf. (nach dem Abkühlen des Wassers) herausfischen und in den Hausmüll.
Quelle: Niessen, J. Präparationen für den Unterricht in der Naturlehre an Volksschulen, Goslar 1909(!).
Did. Hinweise: Schon 1909 wurde ein klarer Aufbau für eine Unterrichtsstunde nach der forschend-entwickelnden Methode (allerdings noch stark katechisierend) empfohlen, wie er bis heute nicht konsequent umgesetzt wird. Muster:
I. Vorbereitung.
   a) Beobachtungen (aus dem Alltag).
   b) Ziel (dieser Unterrichtseinheit).
II. Darbietung.
III. Verknüpfung
IV. Zusammenfassung
V. Anwendung.

Es kann sich die Erklärung der Vorgänge auf Teilchenebene anschließen.

Bsp. typischer Anwendungsfragen (heute "Transfer"):

  1. Warum gibt es Schnellkochtöpfe?
  2. Warum verwendet man Milchtöpfe?
  3. Warum lässt sich Feuer durch Wasser löschen?
  4. Warum glauben wir, dass eine Kerze durch das Brennen verschwindet?
  5. Warum werden heiße Speisen durch Blasen kälter?

Diese Fragen sind z.T. erst nach weiteren Experimenten (etwa Destillation) ab der Mittelstufe klärbar.

WWW: Der historische Vorlagentext.

 

 

 

© Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de, Stand: 05.10.16

Didaktik der Chemie
Universität Bayreuth