Chemische Experimente für die Grundschule

Das Sieden

L S

Quelle: Niessen, J. Präparationen für den Unterricht in der Naturlehre an Volksschulen, Goslar 1909(!).
Beobachtung Erklärung

1. Versuch.

In unseren undurchsichtigen Kochkesseln lassen sie sich nicht alle beobachten; wir wollen daher eine Kochflasche nehmen. Sie ist zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Wir fügen eine Messerspitze voll Sägespäne (oder fein zerteilter  Papierschnitzel) bei. Ein Thermometer ist so befestigt, dass es bis in die Mitte des Wassers reicht. Wir setzen die Flasche in einen Ständer über eine Spirituslampe. Eine brennende Kerze hinter der Kochflasche soll uns die Vorgänge beim Kochen deutlicher sichtbar machen.

  

Stellt die Wärmegrade des Wassers fest! Merkt auch, dass das Wasser in der Flasche ganz ruhig ist! Wir zünden die Spirituslampe an. Was bemerkt ihr bald a), am Thermometer, b) im Wasser? Das Thermometer steigt; die Sägespäne (Papierschnitzel) im Wasser steigen und sinken
Wo waren sie in dem ruhenden Wasser? Auf der Oberfläche; sie wurden, da sie leichter sind als Wasser, von diesem getragen.
Wie erklärt ihr euch nun das Steigen und Sinken der Sägespäne? Das Wasser, welches sie trägt, steigt und sinkt auch.
Durch welche Kraft wird das Wasser denn zum Steigen und Sinken veranlasst? Durch die Wärme.
Auf welche Weise wird das Steigen des Wassers bewirkt? Das Wasser im unteren Teile der Flasche ist der Flamme am nächsten, wird daher eher warm als das im oberen Teile. Da es leichter als kaltes Wasser ist - dies kann durch Wiegen gleichgroßer Raummengen heißen und kalten Wassers leicht nachgewiesen werden - steigt es nach oben.
Auf welche Weise wird das Sinken des Wassers herbeigeführt? Das Wasser im oberen Teile der Flasche ist weniger erwärmt als das untere, ist daher schwerer als dieses und sinkt nach unten.
Was geschieht mit dem nach unten gesunkenen Wasser? Wird auch stärker erwärmt und stiegt nach oben.
Wie lange wird das Steigen und Sinken des Wassers vor sich gehen? Bis alle Wasserschichten gleichmäßig heiß sind.
Dieses Auf- und Niedersinken des Wassers wird als Kreislauf des Wassers bezeichnet und ist der erste Vorgang beim Kochen.
Seht auf den Thermometerstand!
 
Was bemerkt Ihr an den Wänden und an dem Boden der Flasche? Kleine helle Bläschen wie Perlen.
Was geschieht mit ihnen? Sie lösen sich los, steigen bis zur Oberfläche und zergehen (zerplatzen) dort.
Was mögen diese Bläschen wohl enthalten? Luft; es sind Luftbläschen, die Luft ist dem frischen Wasser beigemengt, ist zwischen den Wasserteilchen; sie gibt dem Wasser einen erfrischenden Geschmack; wenn die Luft aus dem Wasser getrieben ist, schmeckt es fade.
Wodurch werden die Luftbläschen sich bilden? Durch die Wärme, welche die Luft im Wasser ausdehnt, wodurch dann kleine Hohlräume (Bläschen) entstehen.
Die Bildung von Luftbläschen ist der zweite Vorgang.
Achtet auf die Größe der Bläschen!
Sie werden immer größer.
An welchen Stellen der Flasche entstehen sie, an welchen Stellen aber nicht mehr? Entstehen nur am Boden, nicht mehr an den Wänden.
Wie weit steigen sie auch nicht? Nicht bis zur Oberfläche.
Wo zergehen sie schon? Bevor sie die Oberfläche erreichen. Es sind keine Luftbläschen, sondern Dampfbläschen, die aber in den oberen kälteren Wasserschichten wieder zu Wasser verdichtet werden. Dabei wird der Hohlraum, den sie vorher einnehmen, wieder ausgefüllt, und zwar von den zunächst liegenden Wasserteilchen.
Gebt an, was Ihr dabei durch Euer Gehör wahrnehmt! Ein eigentümliches Geräusch, das Singen des Wassers genannt.
Woher entsteht es wohl? Durch das Zerplatzen der Dampfbläschen in den Wasserschichten und das Einbringen der Wasserteilchen in die Hohlräume.
Das Singen ist der dritte Vorgang beim Kochen.  
Beobachtet jetzt die Zahl der Wasserdampfbläschen! Sie werden immer zahlreicher.
Wie weit gehen sie hinauf? Bis zur Oberfläche, wo sie zerplatzen.
Welches Geräusch vernehmt Ihr nicht mehr? Singen.
Was hört Ihr stattdessen? Ein Brodeln.
Was merkt Ihr an der ganzen Wassermasse? Sie ist in lebhafter Bewegung.
Wodurch entsteht diese wohl? Dadurch, dass sich in der ganzen Wassermasse Dampfbläschen bilden, welche die Wasserteilchen mit fortschleudern.
Das ist der vierte Vorgang beim Kochen; er wird Sieden genannt.  
Stellt die Wasserwärme fest! 100 °C
Was kommt aus der Flasche heraus? Dampf.
Wo bildet er sich? Auf dem Boden der Flasche.
Welchen Weg muß er also nehmen? Durch das Wasser.
Wo aber wird der Dampf erst sichtbar? Über der Flasche.
Warum ist er in der Flasche nicht sichtbar? Ist zu sehr verdünnt.
Warum ist er außerhalb der Flasche sichtbar? Das die Dampfbläschen umgebende Wasserhäutchen platzt an der Oberfläche des Wassers, das Wasserhäutchen bleibt zurück und der Dampf wird frei; außerhalb der Flasche ist es kühler, wodurch sich der Wasserdunst verdichtet, sichtbar wird und dann Wasserdampf genannt wird.
Die Dampfbildung ist der fünfte Vorgang beim Kochen.
Versuchsergebnis:
Die fünf Vorgänge beim Kochen.
2. Versuch.

Wir vergrößern soweit als möglich unsere Spiritusflamme und beobachten, ob die Temperatur des Wassers nicht noch höher wird. Wie hoch steht das Thermometer? Es ändert sich also nicht. Welche Änderung beim Kochen können wir wohl wahrnehmen bezüglich der Dampfbildung? (Ist viel stärker) Eine Erhöhung der Temperatur, also auch ein rascheres Kochen, ist bei reicherem Gebrauch von Brennmaterial und Vergrößerung des Feuers nicht zu erreichen, auch auf dem Kochherd nicht. Wir wollen die Spiritusflamme möglichst klein machen. Beobachtet jetzt das Kochen und die Temperatur des Wassers! (Das Kochen hält an, die Temperatur bleibt bei 100 °C.)

Versuchsergebnisse:

Das Wasser lässt sich nicht über seinen Siedepunkt hinaus erhitzen. Die Wärme, die dem kochenden Wasser zugeführt wird, dient nur dazu, es in Dampf zu verwandeln. Die bei der Dampfbildung verbrauchte Wärme heißt Verdampfungswärme.

3. Versuch

Die Flasche mit dem kochenden Wasser wird durch einen Korb luftdicht verschlossen und umgewendet, so dass der kugelige Teil nach oben gerichtet ist. Nach einigen Augenblicken, wenn das Kochen aufhört, tröpfeln wir aus einem Schwamm vorsichtig Wasser auf die Kugel. Was beobachtet Ihr? (Das Wasser fängt wieder an zu kochen.) Messt rasch die Temperatur des Wassers in der Flasche! (Weit unter 100 °C.)

Und doch siedet es. Wie ist das zu erklären? (Über dem kochenden Wasser war Wasserdampf, die atmosphärische Luft war hinausgetrieben.) Die Abkühlung der Flasche (durch kaltes Wasser) führte eine Verdichtung des Dampfes herbei; dieser nahm nun weniger Raum ein, so dass über dem Wasser eine fast luftleere Stelle entstand. Weitere atmosphärische Luft ist durch den Korb abgesperrt; der Druck auf die Oberfläche des Wassers ist daher viel geringer als in der offenen Flasche. In der offenen Flasche hat der Dampf (der sich bekanntlich am Boden bildet) nicht bloß das Gewicht der Wassersäule, sondern auch den Druck der Atmosphäre zu überwinden. Ist nun der Atmosphärendruck (wie z.B. in der geschlossenen Flasche) geringer, so muss die Dampfbildung, das Sieden, eher (also unter 100 °C) eintreten. Auf hohen Bergen ist der Luftdruck geringer als in der Tiefebene. Welchen Einfluss wird das Sieden des Wassers zeigen? (Das Wasser wird unter 100 °C sieden, auf dem Mont Blanc z.B. schon bei 84 °C.) Inwiefern wird das Gewicht der Flüssigkeitssäulen eine Änderung des Siedepunktes bewirken? (Flüssigkeiten, die leichter sind als Wasser, werden unter 100 °C, solche, die schwerer sind, erst über 100 °C sieden; Beispiele (durch Versuche festzustellen); Weingeist siedet bei 78 °C, Ether bei 35 °C, Meerwasser bei 104 °C, Terpentinöl bei 160 °C, Quecksilber bei 360 °C).

Versuchsergebnisse:

Je geringer der Luftdruck und je leichter die Flüssigkeit, desto früher das Sieden und umgekehrt.

4. Versuch.

Wir haben nun das Sieden bei niedrigem Druck kennen gelernt; welche Frage möchten wir nun auch noch wohl beantwortet wissen? (Wie das Sieden bei höherem Druck erfolgt.) Wodurch werden wir einen höheren Druck erzielen können? (Wenn wir den umgekehrten Weg der Verminderung des Drucks einschlagen, also nicht durch Abkühlung in verschlossenen Gefäßen, sondern durch Vermehrung des Wasserdampfes in denselben. Warum werden wir den Versuch nicht in einer Kochflasche durchführen dürfen? (Nicht stark genug.) Welche Gefäße haben wir dazu nötig? (Starke Metallgefäße mit luftdichtem Verschluss, die nach ihrem Erfinder Papin'sche Töpfe genannt werden.) Beschreibe die Einrichtung derselben! Kochversuche damit. Mit welchem Recht führen sie die Namen Sparkocher und Schnellkocher?

Versuchsergebnis:

Das Sieden bei erhöhtem Luftdruck erfolgt bei erhöhtem Siedepunkt.

III. Verknüpfung

Die fünf Vorgänge beim Sieden. Der fünfte Vorgang ist die Dampfbildung, die Überführung des Wassers in den luft- und gasförmigen Zustand. An welcher Stelle des Wassers erfolgt die Dampfbildung? (Am Grunde derselben.) Bei welcher Temperatur erfolgte sie (im offenen Gefäß)? (Bei 100 °C.) Der Übergang von Flüssigkeit in den gasförmigen Zustand kann auch bei jeder beliebigen Temperatur erfolgen, und zwar an der Oberfläche der Flüssigkeit. Es geschieht nur nicht so auffällig wie beim Sieden; vielmehr erkennen wir die Veränderung des Zustandes nur daran, dass die Flüssigkeit abnimmt oder ein nasser Körper trocknet. Gebt Beispiele dafür an! (Die Schultafel trocknet nach dem Abwischen, der Zimmerboden nach dem Aufnehmen, die Wäsche beim Aufhängen, der Weg nach einem Regen.) Diese Vorgänge heißen Verdunsten. Vergleicht die Vorgänge beim Sieden und beim Verdunsten miteinander! Welche Kraft ist die Ursache beider Erscheinungen? (Die Wärme.) Wie zeigt sich beim Verdunsten, dass Wärme verbraucht wird? (Nach einem Regen kühlt sich die Luft ab; in nassen Kleidern erkältet man sich leicht.) (Verdunstungskälte). Vergleiche das Sieden in offenen Gefäßen mit dem in geschlossenen Gefäßen! Auf welche Eigenschaft der Wärme sind die Erscheinungen des Siedens und des Verdunstens zurückzuführen? (Die Wärme dehnt alle Körper aus.)

IV. Zusammenfassung

Sprecht die Ergebnisse in kurzen Sätzen (Naturgesetzen) aus!

1. In offenem Gefäße siedet das Wasser (bei gewöhnlichem Luftdruck) bei 100 °C; es kann in demselben nicht über 100 °C erhitzt werden.

2. Beim Sieden und bei der Dampfbildung wird Wärme verbraucht.

3. Der Siedepunkt hängt vom Luftdruck ab; je höher dieser ist, desto höher ist der Siedepunkt und umgekehrt.

4. Beim Verdunsten wird Wärme verbraucht (der zurückbleibende Körper abgekühlt).

V. Anwendung

Fragen und Aufgaben

  1. Warum ist es unnütz, unter kochendem Wasser stärker nachzuheizen?
  2. Welchen Vorteil bietet das Beschweren der Deckel der Kochtöpfe?
  3. Warum muss der Papin'sche Kochtopf ein Sicherheitsventil haben?
  4. Warum kommt Wasser in einem Gefäß, das in einen offenen Kessel siedenden Wassers gestellt wird, nicht auch zum Sieden? (Weil alle Wärme in kochendem Wasser zur Dampfbildung verbraucht wird, daher an das innere Gefäß nicht genug Wärme abgegeben werden kann.)
  5. Warum lässt sich Feuer durch Wasser löschen?
  6. Wodurch wird die Verdunstung beschleunigt? (Durch Luftzug, Wärme und größeren Abfluss. Nachweisen beim Trocknen der Wäsche.)
  7. Warum beschlagen Fensterscheiben, wenn es draußen kalt, im Zimmer aber geheizt wird?
  8. Warum beschlagen kalte Gläser, wenn sie in ein geheiztes Zimmer gebracht werden?
  9. Warum hat man ein Kältegefühl, wenn man aus dem Bade steigt?
  10. Warum herrscht im Frühjahr auch bei starkem Sonnenschein kalte Luft, so lange noch Eis und Schnee schmelzen?
  11. Warum ist es nach einem Regen kühler?
  12. Auf welche Weise kann man sich bei durchnässten Kleidern vor Erkältung schützen? (Durch ständige Bewegung.)
  13. Warum bleibt Wein (Wasser u. dergleichen) in größeren Gefäßen kühl?
  14. Warum umhüllten Landleute, die Bier, Milch oder andere kalte Getränke mit ins Feld nehmen, die Gefäße mit nassen Tüchern oder feuchten Pflanzenblättern?
  15. Warum lässt man behufs Gewinnung des Salzes das Meerwasser in große Gruben fließen, das Salzwasser über Gradierwerke laufen?
  16. Warum wirken nasse Tücher bei Fieberhitze kühlend?
  17. Welche Mittel haben wassergierige Pflanzen zur Förderung, Trockenpflanzen zur Hemmung der Verdunstung? (Förderungsmittel: viele Spaltöffnungen; große, glatte, dünne Blätter; Wachsüberzug, Haarleisten, Träufelspitzen, Wasserrinnen. Hemmungsmittel: wenige Spaltöffnungen; kleine, behaarte Blätter; Zusammenrollen und Falten derselben; Wachsüberzug, Lederhaut, Stachelbildung, Gummi- und Harzsaft.
  18. Welche Vorteile hat das Kochen der Speisen? (Werden schmackhafter und leichter verdaulich.)
  19. Warum erkältet man sich leicht, wenn man sich nach einem anstrengenden Marsche, Laufen und dergleichen der Zugluft aussetzt?
  20. Warum werden heiße Speisen durch Blasen kälter?

top

Didaktik der Chemie
Universität Bayreuth

© Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de