Didaktik der Chemie / Universität Bayreuth

Stand: 20.09.10

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Seminar zur Didaktik der Chemie I, WS 2003/04

Planungs- und Arbeitsphasen

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1. Einführung und Problembewusstsein

Ausgangspunkt ist die im Vorjahr konzipierte zweite UE zum experimentellen Erstkontakt von Schülern im Fach Chemie. Im Verlauf mehrerer Jahre soll eine Sequenz experimentbasierter Unterrichtseinheiten entstehen, die stets von Erfahrungen mit den Stoffen ausgehend die theoretischen Grundlagen vermitteln soll.

Aufgabe dieser Einheit wird sein, die Plattform zu definieren, auf deren Grundlage eine Erklärung der bisher beobachteten Phänomene des Mischens und der chemischen Reaktion vorgenommen werden können.

1.1 Erste Annäherungsphase:

Aus den verschiedenen Richtungen soll ein Situationsbericht entstehen:

bulletAussagen des Lehrplans für Realschulen in Bayern zum Atommodellen
bulletInhalte von zwei verbreiteten Schulbüchern zu Atomvorstellung und -modellen
bulletStand der Diskussion innerhalb der Fachdidaktik Chemie zum Teilchenkonzept (Dahlmann, Buck, Grosser, Christen)
bulletAussagen von ausgewählten Atommodellen (Bohr, VSEPR, Kimball).

Das Teilchenkonzept (Diskontinuumkonzept) wird allgemein und (im Unterricht) kaum hinterfragt eingeführt. Finden wir eine klare Begründung für die Notwendigkeit von Teilchen oder ist die Alltagserfahrung des Kontinuums auch für das Fach Chemie in der Schule ausreichend?

Die in Becker et. al. Fachdidaktik Chemie beschriebene Situation in den 80er Jahren, "der wissenschaftliche Chemieunterricht" habe "die mit dem Diskontinuum verbundenen Probleme noch nicht bewältigen können" besteht nach wie vor. Lösungsvorschläge sind:

  1. Induktive, wissenschaftsorientierte Herleitung über Gasgesetze, Avogadro-Konstante, Faraday-Gesetze und Ölfleck-Versuch; sie greift aber erst in der Oberstufe, kommt somit zu spät.
  2. Historische Herleitung über die Geschichte der Atomvorstellung und -theorien; die Geringschätzung des Themas durch Lehrer und die Vernachlässigung der philosophischen Komponente führt nicht zum Ablösen von Alltagsvorstellungen bei Schülern.
  3. Philosophisch-erkenntnistheoretischer Zugang, Arbeiten mit Analogien, wobei Schüler über weite Strecken einfach "glauben" müssen.

Als Lernschwierigkeiten wird

bulletder theoretische Charakter
bulletdie Beschäftigung mit der submikroskopischen Betrachtungsebene
bulletder Modellcharakter und
bulletdie Kollision mit Alltagstheorien angesehen.

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1.2 Zweite Annäherungsphase.

1.2.1 Die Frage nach dem Zweck: wozu brauchen wir ein Teilchenkonzept?

Antworten gemäß Lehrplaninhalten:

bulletErklärung von Aggregatzustandsänderungen
bulletVerstehen von chemischen Bindungen
bulletErklärung chemischer Reaktionen: Protonen-, Elektronen-, Atomgruppenaustauch
bulletVerstehen von Radioaktivität
bulletVerstehen von Stoffartänderungen
bulletErklärung von Molekülgeometrien.

1.2.2 Die Frage nach der problemhaften Notwendigkeit:

Wir sehen nur zwei Gründe, aus denen sich auch für den Lernenden die Notwendigkeit der Diskontinuumssicht ergeben könnte:

  1. Würde man eine Stoffportion sehr oft teilen, dann müssten bei der letzen Teilung aus einem sehr sehr kleinen "Körnchen" zwei Nichts entstehen (philosophische und wissenschaftstheoretische Notwendigkeit). Die "Unmöglichkeit des Nichts aus etwas" bzw. umgekehrt des "Etwas aus nichts" muss auf dieser Ebene geglaubt werden.
  2. Wenn aus einer Lösung ein Kristall "wächst", kann man die geometrische Ausformung nur damit erklären, dass Teilchen nur bestimmte Positionen zueinander einnehmen können. Im Kontinuum müsste entweder eine regellose Form entstehen oder eine formende "Hand" postuliert werden.

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2. Erarbeitungsphase

2.1 Die Situation. In den Aussagen des Lehrplans und der Schulbücher (Elemente der Zukunft: Chemie 1, Natur und Technik: Chemie 9) findet sich keine Begründung des Teilchenaufbaues. Das Bohrsche Atommodell wird als einziges Modell unbegründet eingeführt.

Von den häufigeren Modellen werden folgende auf Eignung diskutiert:

Eignung für Inhalt: Bohr Kugelwolken VSEPR
Aggregatzustände + +/- +/-
chemische Bindung - + +
Protonenübergang - + +
Elektronenübergang + + +
Atomgruppenaustausch - + +
Molekülbau - + (++)

Kugelwolken- und VSEPR-Modell sind demnach besser geeignet als die Bohrschen Schalen, wobei das VSEPR-Modell besonders beim Molekülbau die besten Leistungen zeigt, also in einem Bereich, der kaum realschulrelevant ist. Deshalb fällt die Entscheidung auf das Kugelwolkenmodell.

Schüler könnten folgende Alltagsbeobachtungen gemacht haben, die eine Kontinuumssicht suggerieren:

bulletHolz verbrennt und wird zunehmend kleiner, wobei "feinster" Rauch entweicht.
bulletSalz löst sich in Wasser bzw. Kandiszucker in Tee auf, wobei man "feinste" Schlieren des Stoffes in der Flüssigkeit sich von den Kristallen ablösen sieht.
bulletWasser "verschwindet" aus einem Aquarium oder Trinkglas.

Beobachtungen mit Hilfsmitteln sind selten, so dass die Feststoff-Partikel im Rauch nicht wahrgenommen werden. Aus Lösungen kann das der Stoff durch Verdunsten des Lösungsmittels wieder dargestellt werden - an sich ein Grundschulexperiment im HS-Unterricht. Es beweist aber lediglich, dass Materie durch Auflösen nicht vernichtet worden ist, nicht die Teilchennatur. Schließlich ist die Teilchennatur des Wasserdampfes experimentell nicht direkt zugänglich: Kondensation beweist wie vorhin nur, dass das Wasser nicht im Nichts verschwunden ist. Auch die meisten Erwachsenen (einschließlich mancher Naturwissenschaftslehrer) bezeichnen Dunst über siedendem Wasser als Wasserdampf und nicht als Nebel.

2.2 Ansätze zur Lösung.

In jeweils 2-3 Arbeitsgruppen werden Konzepte für eine mehrstündige Unterrichtseinheit skizziert, dann diskutiert und die interessantesten Ansätze ausgewählt. Aus der Synthese entsteht folgende Skizze für den Umfang von ca. 5 Unterrichtsstunden:

  1. Hinführung zur Teilchenvorstellung (Diskontinuum) über die Diskussion des Kristallwachstums. Hinführung zum Kern-Hülle-Modell über den Rutherford-Versuch.
  2. Feinerer Bau von Kern und Elektronenhülle. Vom Kimball-Modell zur Oktett-Regel.
  3. Entstehung von Einfachbindungen durch Überlappung von Kimball-Wolken. Moleküle als Teilchenverbindungen. Bindungstyp Kovalenz.
  4. Mehrfachbindungen über das Kimball-Modell ("Bananen"-Bindungen) und Diskussion des Arbeitens mit Modellen in der Wissenschaft.
  5. Das Periodensystem der Elemente.

2.3 Stand der Grundbegriff-Verteilung

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3. Lösung

Unterrichtseinheit zum Thema "Teilchenaufbau der Materie".

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E-Mail: Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de