Didaktik der Chemie / Universität Bayreuth

Stand: 05.09.17


Klebstoffe


Vortrag von Daniela Degenkolb und Maximilian Dregelies im Rahmen der "Übungen im Vortragen mit Demonstrationen - OC", WS 2000/2001 und SS 2015


Gliederung:

1 Klebstoffen und Kleben

2 Adhäsions- und Kohäsionskräfte
2.1 Adhäsionskräfte
2.2 Kohäsionskräfte
2.3 Voraussetzungen fürs Kleben

3 Aufbau eines Klebstoffs

4 Arten von Klebstoffen
4.1 Physikalisch abbindende Klebstoffe
4.2 Chemisch härtende Klebstoffe

5 Herstellung eines natürlichen Klebstoffs

6 Vorteile des Klebens

7 Einsatz von Klebstoffen


Einstieg 1: Kaugummi an der Schuhsohle und Jacke mit Hilfe eines "power strips"-Hakens an der Tafel aufhängen. Kaugummi ist auch eine Art von Klebstoff, der mit der Zeit aushärtet. Die Grundfrage ist, wieso Kaugummi und andere Substanzen kleben und worin die Unterschiede im Klebvermögen begründet sind. Anhand von Kaugummi erkennt man, welche Bedingungen ein Klebstoff erfüllen muss:

  • er muss an fremden Oberflächen kleben bleiben
  • der Kaugummi besteht nicht nur aus einer Monomolekularen Schicht und muss deshalb auch in sich kleben.

Die Fachbegriffe hierfür lauten Adhäsion für die Haftung an dem Werkstoff und Kohäsion für die Haftung in sich.

Einstieg 2: Fast jeder Student kennt die Umstände eines Umzugs und ist selber wahrscheinlich schon einmal umgezogen. Gängige Probleme sind dabei Bruchschäden von Gegenständen, die den Transport an irgendeiner Stelle nicht überstehen oder zum Beispiel undichte Stellen im neu bezogenen Badezimmer. Am nahe gelegensten schien mir die Verwendung von Klebstoff, um diese Dinge zu reparieren.


1 Klebstoffe und Kleben

Klebstoffe sind nach DIN EN 923 nichtmetallische Stoffe, die Fügeteile durch Flächenhaftung (Adhäsion) und innere Festigkeit (Kohäsion) verbinden können.

Kleben bedeutet die Herstellung einer festen Verbindung zweier Teile durch einen synthetischen Werkstoff (Klebstoff), der durch physikalisches Abbinden oder chemische Reaktion verfestigt wird (Aushärten) und die Teile infolge der Oberflächenhaftung (Adhäsion) sowie der zwischenmolekularen Kräfte (Kohäsion) miteinander verbindet.


Abb. 1: Querschnitt einer Klebung


2 Adhäsions- und Kohäsionskräfte

2.1 Adhäsionskräfte

Dies sind Anziehungskräfte mit geringer Reichweite (1µm), die immer an Grenzflächen von festen Stoffe auftreten. Sie treten aber meist nicht sichtbar in Erscheinung (wenn man zwei Holzstücke aneinander hält, wirken keine spürbaren Kräfte), da die meisten Oberflächen so uneben sind, so dass der Abstand der Moleküle, der zum Ausbilden dieser Kräfte nötig wäre zu groß ist (Deshalb haften zwei Holzstücke nicht aneinander). Die Adhäsionskräfte sind zwischen Klebstoff und Werkstoffoberfläche wirksam.

Man unterscheidet:

Mechanische Adhäsion Spezifische Adhäsion
mechanische Verankerung des Klebstoffs in Oberflächenporen vergleichbar einem Puzzle:
schwache Kräfte
Zwischenmolekulare oder chemische Bindungskräfte:
(Van-der-Waals-Kräfte, Dipol-Dipol-Wechselwirkungen usw.).


Abb. 1: Adhäsions- und Kohäsionskräfte beim Kleben

2.2 Kohäsionskräfte

Das sind Zwischenmolekulare Kräfte, die innerhalb des Klebstoffs wirken und ihm die innere Festigkeit verleihen. Diese Kräfte werden beeinflusst durch:

  1. Molekulargewicht (Je größer das Molekulargewicht, desto stärker sind die Kohäsionskräfte und desto höher die Klebstofffestigkeit)
  2. Anzahl und Größe der Seitengruppen
  3. Polarität (Je polarer der Klebstoff ist, desto höher ist die Festigkeit)


Abb. 2: Adhäsions- und Kohäsionskräfte

2.3 Voraussetzungen fürs Kleben

Damit die Kräfte auch wirksam werden können, muss sich der Klebstoff der Oberflächen anpassen können, um den Abstand zwischen Klebstoff- und Werkstoffoberfläche gering zu halten.

Bedingungen:

  1. Er muss flüssig sein, um in alle Spalten zu gelangen (Schmelze, Lösung)
  2. Die Oberflächen müssen gut gesäubert werden und eventuell zur Oberflächenvergrößerung aufgeraut werden, damit sich möglichst viele Adhäsionsbindungen ausbilden können.

Die Qualität einer Verklebung hängt somit nicht nur von der Qualität des Klebstoffs ab, sondern vor allem auch von der Oberflächenbeschaffenheit der zu verklebenden Materialien. Da man aber keine monomolekulare Klebstoffschicht auftragen kann, muss der Klebstoff noch eine innere Festigkeit besitzen, die so genannten Kohäsionskräfte.

Diese Kräfte können sich optimal ausbilden, wenn der Klebstoff dünn und gleichmäßig aufgetragen wird. Da sowohl Adhäsions- als auch Kohäsionskräfte erst während des Klebens ausgebildet werden, kann die Festigkeit der Klebung beeinflusst werden durch Werkstoffoberflächenbehandlung, Art der Klebstoffauftragung, Aushärtetemperatur, Aushärtezeit. Bei guten Klebstoffen sind die Kohäsionskräfte mindesten so groß wie die Adhäsionskräfte. Wenn sich im Laufe der Zeit die Adhäsionskräfte lösen, spricht man von einem Adhäsionsbruch, der Klebstoff löst sich von der Werkstoffoberfläche ab.


3 Aufbau eines Klebstoffs

Tab. 1: Aufbau von Klebstoffen, nach [3]
Grundstoff / eigentlicher Klebstoff Lösungs- oder Dispersionsmittel Zusatzstoffe
natürliche und synthetisch Polymere schnell verdunstende organische Lösungsmittel  
Makromoleküle haben gute Klebeigenschaften wegen guter Adhäsion und Kohäsion. Einteilung der Klebstoffe: Lösemittelhaltige Klebstoffe: Alkohol, Aceton, Benzin; Schnelle Anhaftung

Lösemittelfreie Klebstoffe: Wasser;  Langsame Anhaftung, da Wasser langsamer verdunstet als andere Lösungsmittel. Nachteil: Papierwellung; Vorteil: bei gleicher Klebekraft umweltschonender

Funktion: Farbgebung, Alterungsschutz, Konservierungsmittel (vor allem bei natürlichen Klebstoffen wie Stärkeklebstoff ),   Entschäumungsmittel

Natürliche und synthetische Klebstoffpolymere:

Natürliche Bindemittel für Klebstoffe

Naturharze Balsame (Terpentin)
  Kolophonium (Wurzelharz)
  Fossile Harze (Dammar, Kopal, Bernstein)
   
Kohlenhydrate Stärke
  Dextrin
  Zucker
   
Proteine Albumin
  Casein (aus Milch)
  Gelantine
   
Kautschuk Latex
  Snocked sheets (getrocknete Gummimilch)
  Crepe (gefällte Latex)
   
Wachse und andere Bienenwachs
Naturstoffe Schellack
  Gummi arabicum

 

Synthetische Bindemittel für Klebstoffe

Methylcellulose Tapetenkleister
Polyvinylalkohol Papierkleber
Polyvinylpyrrolidon Klebestifte
   
Polystyrol Modellbaukleber
Polyvinylchlorid Plastikkleber
Polyacrylate Plastikkleber, Haftkleber
Polymethacrylate Plastikkleber, Haftkleber
Polyvinylacetat Alleskleber, Holzleime
PVAc/Polyethylen Schmelzkleber
Nitrocellulose Modellbaukleber
   
Polychloroprene Kontaktkleber
Kautschuke Kontaktkleber, Haftkleber
Polyurethane Kontaktkleber, Reaktionskleber
   
Methacrylate Modellbaukleber
Cyanacrylate Sekundenkleber
Diacrylsäureester Schraubensicherungen
Epoxidharze Metallkleber
Polyester Metallkleber, Gießharze

4 Arten von Klebstoffen

Einteilung nach der Art des Abbindens, d.h. durch welche Reaktion der Klebstoff hart wird.

Physikalisch abbindenden Klebstoffe Chemisch härtende Klebstoffe

Hierunter versteht man solche Klebstoffe, bei denen bereits der fertige Klebstoff, das heißt das Polymer an sich, in die Klebefuge eingebracht wird. Dazu wird ein physikalisches Verfahren angewendet, das den Klebstoff zunächst in eine verarbeitbare Form bringt, um ihn später im Klebespalt wieder verfestigen zu lassen.

  • Dispersionsklebestoffe (Nassklebestoffe)
  • Kontaktklebestoffe
  • Schmelzklebestoffe
  • Haftklebestoff
Bei chemisch härtenden Klebstoffen, oft auch Reaktionsklebstoffe genannt, werden die einzelnen chemischen Bausteine für den Klebstoff im richtigen Verhältnis in die Klebefuge eingebracht. Die Verfestigung erfolgt danach durch chemische Reaktion der Bausteine miteinander.
  • Einkomponentenklebstoffe
  • Zweikomponentenklebstoffe

4.1 Physikalisch abbindende Klebstoffe

Dispersionsklebestoffe:

Sie enthalten Wasser als mobile Phase und Klebstoffbestandteile als Dispersion. Der Klebstoff wird auf eine Werkstückoberfläche aufgetragen, das andere Werkstück wird in das Klebstoffbett gelegt. Wenn das Lösemittel verdunstet oder in das Fügeteil (z.B. Holz) eingezogen ist, nähern und ordnen sich die Klebstoffbestandteile an und bilden einen homogenen Film (Klebstoff hat abgebunden). Bsp.: Klebstifte, Alleskleber extra, Holzleim.


Abb. 4:
Klebestift, Alleskleber und Holzleim (von links nach rechts)[11,12,13]


Abb. 5:
Aushärtungsmechanismus eines Dispersionsklebstoffs

Kontaktklebstoffe: Der Klebstoff wird auf beide Werkstoffoberflächen gegeben und getrocknet, danach fügt man die beiden Oberflächen mit Druck zusammen. Prinzip der Auto-Adhäsion: Die Klebung erfolgt durch die gegenseitige Diffusion der Polymere in die jeweils andere Werkstückoberfläche hinein. Die Eindringtiefe in die Klebschicht kann so groß werden, dass beim Zerreißen einer auf Diffusion beruhenden Verklebung die Moleküle nicht mehr aus der Klebschicht herausgezogen werden, sondern ihre Ketten zerreißen.
Bsp. Polyurethane, Vulkanisierflüssigkeit (Flicken von Fahrradschläuchen), Klebeschicht selbstklebender Briefumschläge.

Schmelzklebstoffe: Schmelzklebestoffe sind Lösemittelfrei. Durch das Erhitzen kommt es zum Bindungsbruch der festen Masse, wodurch sie sich gut verarbeiten lässt. Beim Erkalten bilden sich die Bindungen erneut aus und gewährleisten gute Adhäsions- und Kohäsionskräfte zwischen Fügeteilen und Klebstoff. Bsp.: Heißklebepistole.

 
Abb. 6: Heißklebepistole[14]

Haftklebstoffe: Dauerklebrige Substanzen, die schon nach leichtem Andruck haften. Bsp.: Klebefolien, Aufkleber, Klebehacken UHU fix & film, Tesafilm, Haftnotizen.


Abb. 7: Haftklebstoff (Klebeband) [15]

4.2 Chemisch härtende Klebstoffe

Einkomponentenklebstoff: Bei den chemisch härtenden Klebstoffen werden alle Klebstoffe, die nur aus einer Art Monomere bestehen, zu den Einkomponentenklebstoffen gezählt. Die 2. Reaktionskomponente, die das Abbinden des Klebstoffs einleitet ist noch nicht selber im Kleber mit enthalten. Der Reaktionsvorgang wird z.B. durch Luftfeuchtigkeit beim Sekundenkleber oder das UV Licht beim Zahnarztklebstoffen eingeleitet.


Abb. 8: Reaktionen beim Sekundenkleber: anionische Polymerisation

Zweikomponentenklebstoff: Zwei Reaktionskomponenten werden in einem bestimmten Verhältnis gemischt, oft dient als zweite Komponente ein Härter der für die drei dimensionale Vernetzung des linearen Polymers der ersten Komponente führt. Da hier aber aktiv eine zweite Art Klebstoffmonomere (zweite Komponente) hinzugefügt wird und die Reaktion nicht wie bei den Einkomponentenklebstoffen durch die vorhandene Luftfeuchtigkeit startet, spricht man von einem Zweikomponentenklebstoff. Diese sind in der Regel Polymerisations-, Polykondensations- oder Polyadditionsklebstoffe.

Bsp. Polykondensationsklebstoff: Silikone; Präpolymere (Vorstadium zu richtigen Polymeren; 1K Start mit Luftfeuchtigkeit – 2K mit Härter)

Bsp. Polyadditionsklebstoff: Polyurethanklebstoffe; Polyadditionsreaktion von Diolen (Dialkoholen) mit Polyisocyanate


Abb. 9: Mechanismus der Synthese von Polyurethan

Bsp.: Fibrinogen / Thrombin Zweikomponentenklebstoff in der Medizin Fibrinogen und Thrombin werden mit Hilfe einer Doppelspritze auf die Wunde gegeben und bilden dort Fibrin. Nach 24 Std. wird dies fest, bleibt aber elastisch und wird deshalb hauptsächlich bei Organbluten eingesetzt.


5 Herstellung eines natürlichen Klebstoffs

Stärkekleber: 10 g Maisstärke (z.B. Remiga Speisestärke, Aldi) werden in 10 ml kaltem Wasser gelöst und dann in 110 ml siedendem Wasser gegeben. Unter Rühren lösen und abkühlen lassen. Dieser selbst hergestellte Klebstoff kann als Papierklebstoff eingesetzt werden.

Gelatinekleber: Gelatine in kaltes Wasser einlegen, das Wasser dann abgießen und die Gelatine erhitzen bis sie flüssig wird. In diesem Zustand kann man sie als Klebstoff verwenden.

Nachteile dieser natürlichen Klebstoffe sind die langen Aushärtzeiten und die Anfälligkeit gegenüber Pilzen usw.


6 Vorteile der Klebstoffe

  • Kleben verbindet die unterschiedlichsten Materialien miteinander
  • Klebungen ersetzen Bohrungen und die dadurch entstehenden Schäden
  • Kleben verhindert Flüssigkeitsansammlungen zwischen den Fügeteilen und verhindert so die Korrosion

7 Einsatz von Klebstoffen

  • Medizin (Zahnarzt, Knochenkleben)
  • Buchbinden
  • Büro/Haushalt (Pro Kopf verbrauch 6 kg /Jahr)
  • Automobilindustrie

Zusammenfassung: Ein guter Klebstoff ist

  • möglichst niedrig viskos (gewährleistet gute Adhäsion) und
  • härtet nach dem Anbringen vollständig aus (gute Kohäsion).

Kleben ist im Wesentlichen die Chemie der Polymere. Diese Polymere sind im Fall der physikalisch abbindenden Klebstoffe bereits im Kleber enthalten. Durch ein physikalisches Verfahren kann der Klebstoff in eine verarbeitbare Form gebracht werden, um ihn im Klebespalt wieder aushärten zu lassen. Chemisch härtenden Klebstoffen werden vor ihrem Verwendungszweck an einer Reaktion (Polymerisation) gehindert. Einzelne Monomere beginnen durch den Kontakt mit Luft,  Feuchtigkeit oder einer speziellen zweiten Klebekomponente zu Polymerisieren und so zu verkleben.

Abhängig vom Anwendungsgebiet gibt es für jede Situation den richtigen Klebstoff.


Abschluss: Durch die verschiedenen Arten von Klebstoffen lässt sich fast jede Bruchstelle in nahezu jedem beliebigen Material mit dem entsprechend passenden Klebstoff reparieren. Die Fügeteile werden so wieder permanent miteinander verbunden, wobei das ursprüngliche Material, im Vergleich zu einer Bohrung, nicht weiter beschädigt wird.


Literatur:

  1. Produktinformationen von UHU GmbH, 77815 Bühl/Baden.
  2. "Die Kunst des Klebens", Videomitschnitt von Quarks & Co., WDR 2000.
  3. "Praxis der Naturwissenschaften" Heft 7, 1989, S. 1-32 (Themenheft).
  4. "Chemie in unserer Zeit" Heft 4, 1980, 124 - 133.
  5. "Nachrichten aus Chemie, Technik und Laboratorium" Heft 12, 1995.
  6. Falbe, J.; Regitz, M.; Römpp Chemielexikon, Georg Thieme Verlag, Stuttgart,1989.
  7. Nachrichten Chemisch Technisches Labor 43, 1995, Nr. 12
  8. Naturwissenschaften im Unterricht, Heft 80, 2004
  9. http://www.chemie.de/lexikon/Klebstoff.html, 04.09.2017
  10. http://www.bm-chemie.de/, 04.09.2017
  11. https://www.amazon.de/Pritt-WA12-Klebestift-20g/dp/B0009WFNTW, 04.09.2017
  12. http://www.uhu.com/produkte/alleskleber/detail/uhu-alleskleber-flinke-flasche.html?cHash=b4448eb7ad854552fe2cf32cbe9a117f, 04.09.2017
  13. http://www.ponal.de/produkte/kategorien/subkategorien/produkt-detailseite/?tx_commerce_pi1%5BshowUid%5D=113&tx_commerce_pi1%5BcatUid%5D=56&cHash=4dd9cdaaf6b17e7733aa8af14a4ba658, 04.09.2017
  14. https://www.conrad.de/de/pattex-pistole-supermatic-200plus-245267.html, 04.09.2017
  15. https://www.amazon.de/Klebeband-braun-leise-abrollend-breit/dp/B00S9CJ1AG/ref=sr_1_3?ie=UTF8&qid=1504526736&sr=8-3&keywords=Klebeband+Braun, 04.09.2017

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