Hintergrund zu:

Regenbogen im Tomatensaft

Die charakteristische rote Farbe der Tomaten beruht hauptsächlich auf dem Gehalt an Lycopen, einem Carotinoid. Reife Tomaten haben einen besonders hohen Lycopenanteil (ca. 3,9 - 5,6mg Lycopen/100g reifer Tomaten). Dosentomaten enthalten prozentual mehr Lycopen, da ihnen bei der Verarbeitung Wasser entzogen wird (ca. 10mg Lycopen/100g Doseninhalt). Konzentriertes Tomatenmark enthält sogar ca. 62mg Lycopen/100g Tomatenmark. Die Verfügbarkeit von Lycopen aus erhitzten Produkten (z.B. Tomatensaft) ist höher als aus rohen Produkten, da beim Erhitzen die pflanzlichen Zellstrukturen aufgebrochen werden und das Lycopen gelöst wird. [2] Durch besonders langes Kochen der Tomaten werden also mehr Lycopene freigesetzt als beim kurzen Dünsten. [1][2]

Lycopene sind langkettige, ungesättigte Kohlenwasserstoffe (Alkene) mit 13 C-C-Doppelbindungen, wovon 11 konjugiert sind.

Die Länge des konjugierten pi-Elektronensystems im Lycopen ist für seine Absorption in der blau-grünen Region des sichtbaren Spektrums verantwortlich und damit auch für seine rote Farbe. Bei einer elektrophilen Addition an eine pi-Doppelbindung verkürzt sich die Länge des konjugierten Doppelbindungsystems, was in einer Verkürzung der absorbierten Wellenlänge resultiert. Die Absorption verschiebt sich also in die Richtung des UV-Spektralbereiches und die Verbindung erscheint nun farblos. Dies geschieht, wenn man eine Lösung von Lycopen (in den meisten Solventien) mit Bromwasser versetzt. Wie entstehen dann aber die zu beobachtenden blauen und grünen Farben? Einen Hinweis gibt der Reaktionsmechanismus der Addition von Brom an eine Doppelbindung: [3]

Diese Addition läuft in zwei Stufen ab. Im ersten Reaktionsschritt kommt es zu Wechselwirkungen zwischen einem Bromatom des Brommoleküls und den pi-Elektronen der Doppelbindung. Es bildet sich der so genannte pi-Komplex (Charge-Transfer-Komplex) aus, in dem das Brommolekül polarisiert vorliegt.

Im zweiten Reaktionsschritt wird das polarisierte Brommolekül heterolytisch gespalten. Das positiv geladene Kation wird von den negativ geladenen Elektronen der Doppelbindung angezogen und an das Ethen gebunden (elektrophiler Angriff). Das Ethen liegt nun als positiv geladenes Bromoniumion vor. Das zweite Bromatom liegt als negativ geladenes Anion vor, da es beide Bindungselektronen vom Brommolekül erhalten hat. Das Bromanion ist nukleophil und es erfolgt, wegen des großen Raumbedarfs der Ionen, ein "Angriff" von der Rückseite des Bromoniumions. Man spricht deshalb von einem Rückseitenangriff. Durch diese nukleophile Addition kommt es zur Bildung des Dibrommethans. Die ursprünglich vorhandene C-C-Doppelbindung ist nun verschwunden. [4][5]

Absorbiert ein solcher pi-Komplex Licht, geht er in einen angeregten Zustand über, wobei ein pi-Elektron vom Donor (dem Alken) auf den Akzeptor (das Brom) übergeht. Das Erscheinen einer neuen Absorptionsbande bei längerer Wellenlänge als der des Donors ist charakteristisch für solche Absorptionen. Da diese Absorptionsbanden im roten Spektralbereich liegen, weist der pi-Komplex eine blau-grüne Farbe auf. Da die Lycopenmoleküle in den Lipidaggregaten der Zellmembran der Tomaten immobilisiert sind und nahe zusammengehalten werden, ist die Zersetzungsrate für die gebildeten Komplexe stark reduziert. Das bedeutet, dass der pi-Komplex eine ungewöhnlich lange Lebensdauer aufweist. Dies wiederum führt - was den Effektversuch angeht - zum Vorherrschen der Absorptionsbanden des pi-Komplexes.

Das Auftreten der Regenbogenfarben bei der Bromierung von Tomatensaft wird dadurch erklärt, dass in der blauen Farbschicht die π-Komplexe vorherrschen. Dort, wo die grüne Farbe auftritt, ist die Konzentration des gelbbraunen Bromwassers so hoch, dass es sich mit der blauen Farbe zu einem dunklen Grün vermischt. Wird die Konzentration des Bromwassers noch höher, tritt eine gelbe Färbung und schließlich eine orange Färbung auf. Die rote Farbe beruht auf Tomatensaft, der noch nicht mit Bromwasser reagiert hat. Daher bleibt die rote Farbe des Lycopens sowohl an der Oberfläche der Flüssigkeitssäule (das schwere Bromwasser diffundiert schnell in den Tomatensaft ein, daher keine Reaktion an der Oberfläche) als auch am Boden (das Bromwasser ist durch Reaktion mit dem Lycopen weitgehend aufgebraucht) erhalten. [3]

Literatur:

  1. http://de.wikipedia.org/wiki/Lycopen, Stand 17.11.05
  2. http://www.bleibjung.de/018f1091f809ea629/018f1091f90bc744d
    /018f1092120d10b0b.html, Stand 17.11.05
  3. http://www-organik.chemie.uni-wuerzburg.de/studinfo/erlebnis/
    regenbogen_tomatensaft.pdf, Stand 17.11.05
  4. http://www.chempage.de/theorie/elektrophadd.htm, Stand 21.02.06
  5. http://www.calsky.com/lexikon/de/txt/e/el/elektrophile_addition.php, Stand 21.02.06

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Didaktik der Chemie
Universität Bayreuth

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