Chemie

Chemie / Universität Bayreuth

Flavonoide in grünen Kaffebohnen

Stand: 03.02.05

Frage:

Ich habe vor längerer Zeit einmal gelesen, dass der Genuss von grünem Kaffee schon alleine aufgrund des hohen Flavonoidgehaltes gut sein soll. Ich trinke nun seit einigen Tagen aus gemahlenen grünen Bohnen "Kaffee". Kann es da, abgesehen vom Koffein, gesundheitliche Nachteile geben?

 

Antwort von Prof. Dr. K. Seifert und AkadOR W. Wagner:

Wie oft bei Naturstoffen zeigt sich ein sehr widersprüchliches Bild von Wirkungen, sobald man genauer hinschaut. Ein paar Sätze zum Umfeld:

Die große Stoffklasse der Flavonoide ist eine Klasse gelber Pflanzenfarbstoffe. Am häufigsten kommen Derivate des Flavons vor, wobei OH-Gruppen u.ä. an ein oder mehreren Positionen des Gerüstes stehen. Flavon selber ist farblos. In viel geringerem Anteil kommen die Isoflavone vor, immerhin wurden über 600 beschrieben (z.B. in Klee, Süßholz, Soja). [1]

Flavon-Grundgerüst Isoflavon-Grundgerüst

Verschiedenste Wirkungen wurden den Flavonoiden und Isoflavonoiden zugeschrieben: sie reichen von starken Giften (Rotenon) bis zu antiarteriosklerotisch und... hormonell! Besonders Isoflavonoide wirken leicht östrogen, manche antiöstrogen, weshalb sie auch als Phytoöstrogene bezeichnet werden. Es geht aber weiter: unsere Darmflora wandelt diese Stoffe in andere um, die wiederum verstärkte Hormonwirkung zeigen. Mag diese Wirkung auch nur 0.1% der körpereigenen Hormone betragen, so ist die Konzentration aber eine bis zu 10.000fache. Da die Darmflora individuell verschieden ist, ist die Reaktion der Individuen auch uneinheitlich. Dazu kommt der Einfluss der Lebensmittelverarbeitung, was eine Stoff-Wirkung-Beziehung sehr schwer untersuchbar macht. Und dann: dem Vorzug der Antiöstrogenwirkung, somit der Hemmung von Brustkrebszellen, steht eine Förderung der Kropfbildung entgegen. Was bei Frauen gut erscheint (Wirkung gegen Brust- und Darmkrebs) führt bei männlichen Alkoholikern zur Feminisierung und bei Föten womöglich zu Leukämie. [2]

Zurück zum Kaffe. Eine quantitative Angabe zum Flavonoidgehalt war nicht zu finden. Zwar gibt es Sorten, die im Reifezustand statt rote gelbe Beeren entwickeln und dann auch viel Flavonoid enthalten, doch gilt das für die Samenhülle, nicht notwendigerweise auch für die Bohne. [3] Flavonoide sind in praktisch allen Pflanzen enthalten. Mag man unbedingt welche zu sich nehmen, empfehlen sich Birkenblätter (Betula pendula L.) mit bis zu 3%, Weißdornblätter (Crataegus monogyna Jacq.) mit Blüten um 1-2% oder Arnikablüten (Heterotheca inuloides Cass.) mit etwa 0.5% Flavonoiden in bunter Mischung. [4]

Aus steuerlichen Gründen ist es gar nicht so leicht, (in Deutschland) an grüne Kaffeebohnen zu gelangen. Röstereien wären eine Quelle, aber sie sind der Kaffeesteuer unterworfen und geben sehr ungern etwas her, da sie verständlicherweise nicht in den Verdacht der Steuerhinterziehung kommen wollen.
 

Literatur:
  1. Römpp, Chemielexikon, 9. Auflage, Thieme, Stuttgart 1993-94.
  2. Eu-L.E.n-Spiegel, verschiedene Jahrgänge 1997-2001.
  3. Lopes, C.R. et al.: Identification of flavonoid pigments and phenolic acids in the cultivars Bourbon and Caturra of Coffea arabica L. Revista Brasileira de Genetica 1984, 7(4), 659-669.
  4. Wichtl, M.: Teedrogen und Phytopharmaka, Stuttgart 1997.

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