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2.6. Zusatzstoffe in der Wurst? - Anmerkungen zum Einsatz

Vorweg die Bemerkung, daß es sich bei dem folgenden nicht um wissenschaftliche Aussagen handelt, sondern vielmehr um Anmerkungen, die im Rahmen dieser Arbeit festgestellt wurden.

Wie auch bei anderen Lebensmitteln so sind bei den Würsten Farbe und Geschmack traditionell festgelegt; sie sind typisch für das betreffende Produkt. Auch der Einsatz von Zusatzstoffen wird traditionell vorgenommen (NPS!). Hinzu kommt die bei vielen Verbrauchern übliche "Gewohnheit", bevorzugt das jeweils optisch schönste Produkt zu kaufen. Gleichzeitig sollte dieses noch möglichst preiswert sein. Dies sind auch die Gründe für einen Einsatz von Zusatzstoffen, denn Metzger setzen diese oft nur ein, um völlige Produktionssicherheit zu erreichen[13]. Würste mit "optischen Fehlern" (z.B. graurote Farbe, Geleeabsatz) werden von den Kunden nicht akzeptiert, obwohl geschmacklich keinerlei Einbußen festzustellen sind. Andererseits ist es für den Fleischer vielleicht auch bequemer, unkomplizierter, zeit- und kostensparender, die Würste mit den von der Gewürzindustrie angebotenen Zubereitungen (z.B. "Raphos"[44]) herzustellen, als die geringen Mengen (z.B. 35g L-Asc für 50kg Wurst) getrennt abzuwiegen.

Allgemein kann festgestellt werden, daß, je besser die Auswahl der für das betreffende Produkt optimalen Rohmaterialien ist und je optimaler die ausgewählte Technologie ist, desto weniger Hilfsstoffe sind notwendig, um ein fehlerfreies Erzeugnis herzustellen. Die heutige Arbeitstruktur bedingt, daß nur noch wenige Betriebe Hausschlachtungen durchführen. Somit kann kein Warmfleisch mehr verarbeitet werden. Die Würste des Öko-Metzgers zeigen, daß dennoch auf einen Einsatz von Kutterhilfsmitteln oder Emulgatoren, zumindest bei Frischware, verzichtet werden kann. Voraussetzung sind hochentwickelte Maschinen sowie die Fleischqualität, was zu teuereren Endprodukten führt. Bei BEFFE-ärmeren Rezepturen (Ergebnis wäre dann ein billigeres Endprodukt) wird der Einsatz von Hilfsmitteln hingegen technologisch notwendig.

Eine Wursterzeugung ohne Pökelsalze ist möglich (Gelbwurst, Bratwurst, Pfälzer....). Gerade bei den Leber- und Blutwurstsorten wird der Charakter wesentlich durch andere Faktoren bestimmt. So überwiegt z.B. das Leberaroma über das der Pökelung. Tatsache jedoch ist, daß 90% aller Wurstsorten in Deutschland gepökelt sind. Gerade bei den Brühwürsten trägt die Pökelung entscheidend zum Charakter bei. Ungepökelte Rohwürste sind unbekannt. Da bis heute noch kein befriedigender Ersatzstoff für Nitrit gefunden wurde, der alle Eigenschaften des Nitrits in gleicher Weise erfüllt, muß ein NO2- bzw. NO3--Einsatz stattfinden, um die typischen Eigenschaften zu erreichen und die vielfältige Palette beizubehalten. Aufgrund von Erfahrung und immer besseren Technologien konnte der Einsatz der Pökelstoffe reduziert werden. Historische Angaben belegen eine Salpeterzugabe von 1,5%, während sie heute bei ca. 0,06% liegt. Gleichzeitig machen die starke Einschränkung der Nitrit- und Nitratmengen sowie die immer kürzer werdenden Produktionszeiten den Einsatz von Pökelhilfsstoffen (L-Asc) erst technologisch notwendig. Vor allem bei den schnellgereiften Rohwurstsorten erlangt der Zusatz von Hilfsstoffen (GdL, Zuckerstoffe, pH-senkende Genußsäuren) Notwendigkeit, um das Schnittfestwerden oder die vollständige Umrötung zu beschleunigen. Allerdings kann auch anders argumentiert werden: erst die Hilfsstoffe ermöglichen kürzere Produktionszeiten und somit auch sinkende Produktpreise (je kleiner der Abtrocknungsgrad, desto mehr Wasser ist noch enthalten). Daß solche Erzeugnisse eventuell im Aroma durch Ausbleiben mikrobiell erzeugter Stoffwechselprodukte Einbußen erleiden, soll erwähnt sein. Technologische Notwendigkeit, eine Voraussetzung um als Zusatzstoff zugelassen zu werden, schließt also immer wirtschaftliche Gründe mit ein.

Einige der Hilfsstoffe haben wegen ihres ernährungsphysiologischen Wertes eher Lebensmittelcharakter. Caseinat oder Blutplasma besitzen aufgrund der Aminosäure-Zusammensetzung auch einen Nährwert. Ähnliches gilt für die L-Asc: bei Fruchtsäften zu Werbezwecken ("enthält 20 mg Vitamin C/100 ml") als Vitamin C angegeben, taucht sie in der Zutatenliste als Antioxidationsmittel E300 auf. Übrigens besitzt auch L-Dhasc ebenfalls Vitamin-C-Wirkung. Auch ein Diphosphat-Zusatz in den praxisüblichen Mengen hat gesundheitlich keinerlei negative Auswirkungen. Aufgenommene kondensierte Phosphate werden im Verdauungstrakt durch enzymatische Hydrolyse zu Monophosphat abgebaut. Täglich sollten ca. 2,3g Phosphat, berechnet als P2O5, aufgenommen werden. Überangebote werden vom Organismus z.B. als Calciumphosphat im Urin ausgeschieden.

Unumstritten hingegen ist die Toxizität von NO3- und NO2-. Aber auch hier kommt es hauptsächlich auf die Dosierung an. Die Wurstprodukte enthalten ca. 50mg NO3- pro kg Wurst. Somit liegt die Nitrataufnahme durch Fleischerzeugnisse in recht unbedenklichen Bereichen. Der ADI-Wert liegt umgerechnet für eine Person mit einem Körpergewicht von 80kg bei 291mg NO3-/Tag. Vielmehr sollte dabei der NO3--Gehalt von Gemüse beachtet werden. Oft werden "Ökoprodukte" angeboten, die z.B. mit Brennesselsaft und Meersalz umgerötet sind. Ob das in diesen enthaltene "natürliche" NO3- wohl gesünder ist?! Vielmehr wird der NO3-- und somit auch der NO2--Gehalt unkontrollierbarer und unregelbarer. In reduzierendem Milieu ist NO3- als potentielles NO2- zu betrachten, da leichte Überführung in dieses stattfindet - auch beim "gesunden" NO3- aus dem Brennesselsaft! Der NO2--Gehalt der Würste liegt bei ca. 10mg/kg Wurst. Für eine Person mit 80kg Körpergewicht liegt der ADI-Wert bei 32mg NO2-/Tag. Obwohl Fleischerzeugnisse die einzigen Lebensmittel sind, bei denen Nitrit in Form von NPS zulässig ist, darf man diesen Zusatz nicht zu hoch bewerten. Denn von der berechneten täglichen NO2--Belastung eines Menschen von 10mg stammen höchstens 4mg aus dem NaNO2 der Fleischerzeugnisse. Der andere Teil entstammt endogen und exogen abgebautem NO3-.

Hauptsächlich wegen der kanzerogenen und mutagenen Eigenschaften bestimmter Abbauprodukte von NA, die aus Molekülformen des NO2- entstehen können, wird die Pökelung kritisch betrachtet. In Wurstprodukten befinden sich vor allem drei NA. Am häufigsten nachweisbar ist das N-Nitroso-Dimethylamin (NDMA). Daneben finden sich N-Nitroso-Piperidin (NPIP) und N-Nitroso-Pyrrolidin (NPYR). Von den genannten werden aber nur in Rohwürsten und Schinken Mengen, die deutlich über der Nachweisgrenze von 0,03-0,05µg/kg liegen, gefunden. Rohwürste enthalten, bedingt durch die Fermentation, vermehrt Abbauprodukte von Aminen und durch die Austrocknung einen hohen Salzgehalt. Auffällig ist allerdings, daß der N-Nitrosamin-Gehalt in über 180°C erhitzten Produkten (Bacon!) stark ansteigt. Inwieweit die N-Nitrosamine allgemein zu einem erhöhten Krebsrisiko beitragen, soll hier nicht diskutiert werden. Bei Nitrit (bzw. Nitrat) muß also die Voraussetzung, um als Zusatzstoff weiterhin zugelassen zu sein, die gesundheitliche Unbedenklichkeit angezweifelt werden. Traditionelle Gründe ("man hat es schon immer so gemacht") haben hier die ausschlaggebende Rolle gespielt.[34] [45] [46] [47] [48]

Zusammengefaßt können die Würste - auch im Vergleich zu anderen Lebensmitteln - als relativ "reine" Produkte angesehen werden, da auch die zugegebene Menge an Hilfsstoffen relativ "gering" ist. Allerdings werden unumgänglich durch neues EU-Recht weitere Stoffe als Hilfsmitttel zugelassen werden und dann sicherlich auch eingesetzt. Die zulässigen Verbindungen erhöhen sich voraussichtlich von 40 auf ca.120. U.a. wird in Zukunft Diphosphat ohne Einsatzbeschränkung verwendet werden können. Dennoch bleibt als Fazit bestehen, daß eine Wurstproduktion unter den entsprechenden Voraussetzungen, Einschränkungen und anderen Umständen ohne Zusatzstoffe möglich ist, dies aber z.T. auf Druck der Verbraucher nicht angestrebt wird.

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