Didaktik der Chemie / Universität Bayreuth

Stand: 20.09.10

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Seminar zur Didaktik der Chemie I, WS 2006/07

Fehlvorstellungen auf Schülerseite

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1. Aufgabe

Schüler erscheinen im Unterricht der Schularten nicht als unbeschriebene Blätter. Sie bringen aus dem Alltag Vorerfahrungen mit, die hilfreich oder kontraproduktiv sein können. Für ersteren Fall sind Lehrer dankbar, bei letzterem oft hilflos. Ziel der Veranstaltung ist es, an einem konkreten Beispiel durchzuspielen, wie man Fehlvorstellungen "zurechtbiegen" könnte. Gleichzeitig möchte der Kursleiter den Teilnehmern Erfahrungen bei der Anwendung der Unterrichtsmethode "Projekt" verschaffen.

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2. Planung der Lösung

Das Vorgehen wird auf drei Ebenen stattfinden:

  1. Ebene der fachlichen Grundlagen: Grundlagen sind aus den Gebieten Didaktik, Pädagogik und Neurowissenschaften erforderlich; sie sollen über begleitende Studentenreferate erarbeitet werden.
  2. Ebene der Projektinhalte: Inhalt ist der Entwurf einer experimentgestützten Unterrichtseinheit zu einer ausgewählten Klasse von Fehlvorstellungen.
  3. Methodenebene: Die Studenten folgen den Arbeitsphasen eines Projektes. Dabei sollen methodische Schwierigkeiten und Probleme sowie Sozialverhalten gelegentlich aus der Perspektive des Beobachters betrachtet werden.

2.1 Fachliche Grundlagen

Die einzelnen Themen aus verschiedenen Fachgebieten sind aus der Gliederung zur Veranstaltung ersichtlich.

Im didaktischen Bereich soll zunächst die Recherche bekannter Schüler(fehl)vorstellungen Material liefern. Sehr hilfreich dazu ist die STCSE-Bibliographie von Herrn R. Duit, IPN Kiel. Gefundene Fälle werden kategorisiert, die Teilnehmer entscheiden sich für eine der Kategorien, hier das "Vernichtungs(fehl)konzept".

Aus dem pädagogischen Bereich werden Schulkonzepte recherchiert, die entweder methodische (Kerschensteiner) oder konzeptionelle (Mehlhorn) Hinweise zur Lösung liefern könnten.

Aus den Neurowissenschaften sollen Erkenntnisse zusammengetragen werden, die entweder den Lernprozess (teilweise) erklären oder aus dem Verständnis der Funktionsweise des Gehirns heraus methodische Maßnahmen begründen könnten.

2.2 Ziele und Inhalte

Ausgehend von dem erfahrenen "Vernichtungsfehlkonzept" sollen zunächst Experimente gesammelt werden, die Materievernichtung bzw. Materieerhalt thematisiere. Nach einer Sichtung sollen die Leistungen/Fehlleistungen der Experimente in Bezug auf den Zweck, Fehlvorstellungen zu widerlegen, bewertet und ausgesucht werden. Zum Schluss werden die am besten geeigneten in eine methodische Unterrichtseinheit eingebettet.

2.3 Methode

Offenere Lehrformen lassen sich nicht allein theoretisch lehren. Zur Anwendung kommt die Projektmethode. Die Theorie dazu ist aus der Vorlesung bekannt. Phasenweise überlässt der Dozent den Teilnehmern Planungsaufgaben. Erfahrungen dabei werden reflektiert, indem sich alle in die Beobachterrolle begeben.

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3. Lösung und Stand der Ergebnisse

3.1 Kategorisierung der (bekannten) Fehlvorstellungen

In der Diskussion kristallisieren sich drei Ursachen für die erkannten Fehlvorstellungen ("Materie verschwindet bei chemischen Reaktionen bzw. wird neu gebildet") heraus:

  1. Wahrnehmungprobleme.
    "Was ich nicht sehe ist nicht da". Löst sich ein Stoff bis zur Unsichtbarkeit auf (Kochsalz in Wasser) oder verbrennt ein massiver Stoff nur zu farblosen, gasförmigen Produkten (Kerze zu Wasserdampf und Kohlenstoffdioxid) stellt sich bei Laien die "Erkenntnis" ein, der Stoff sei verschwunden.
  2. Sprachliche Probleme.
    Sprachgewohnheiten des Alltags werden in den fachlichen Bereich mitgenommen (die Fee löst sich in Luft auf, die brennende Kerze auch; die schöne Prinzessin verwandelt sich in einen Drachen, Natrium und Chlor in Kochsalz; Vorsilben ver-, zer-, auf-).
  3. Methodische Probleme.
    Diese lassen sich nicht scharf von sprachlichen Problemen trennen: wenn Lehrer unscharfe oder ungenaue Fachsprache verwenden (auch Laborjargon), oder wenn das Fach keine Ausschärfungen bereit hält, unterstützen sie u.U. Fehlvorstellungen (Zucker löst sich in Wasser auf, Magnesium löst sich in Salzsäure auf). Aber es gehören auch konzeptionelle Probleme dazu, etwa die Tatsache, dass im Unterricht Inhalte und Phänomene bevorzugt bzw. als leichter empfunden werden als das Ausschärfen übergreifender Konzepte (etwa Masse-Erhaltung) oder das Ausbilden von Denkmodellen in den Köpfen der Schüler (Teilchen, Bindungen, Reaktion als Elektronenprozess).

3.2 Gefundene Experimente bzw. Gruppen von Experimenten:

bulletwässrige Lösung herstellen, Wasser wieder verdampfen, Lösestoff noch/wieder da.
bulletflüssiges Wasser verdampfen und wieder kondensieren.
bulletReaktionen fester Edukte zu festen Produkten (Fe+S, Zn+S, ...)
bulletAceton verdunstet auf einer Waage
bulletButan verschwindet bei Expansion, erscheint bei Kompression wieder.
bulletVerbrennen von Metallen.
bulletBasen lösen Haare auf.
bulletNiederschläge entstehen aus farblosen Lösungen.

Die Experimente werden ausprobiert. Die folgende Auswahlphase überleben noch die Nummern 1-3, dazu kamen weitere Kurzversuche, die in der Skizze beschrieben werden:

Nr. Bezeichnung Versionen Stufe
1. Lösen von Kochsalz Lehrer, Schüler P / SI
2. Massenerhalt bei Fällung Lehrer, Schüler SI / SII
3. Massenerhalt bei Verbrennung Lehrer, Schüler SI / SII

3.3 Methodische Planung

Leider ist aus der Literatur bekannt, dass Fehlvorstellungen sehr persistent sein können. Deshalb ist zu vermuten, dass einmaliges Behandeln im Unterricht nicht zum Erfolg führen wird. Genauso scheinen einige der (in der Literatur) zur Lösung des Problems vorgeschlagenen Experimente geradezu die Fehlvorstellung zu unterstützen, wenn sie NUR ausgeführt, nicht jedoch sehr sorgfältig besprochen werden. Folglich MÜSSEN zu den reinen Experimentieranleitungen deutliche methodische Hinweise dazu genommen werden. Im Ergebnis entstand je eine Unterrichtseinheit für die Jgst 4 bzw. 5 (Stufen P / SI, ohne das Fach Chemie) und für die Jgst. 8 bzw. 11 (Stufen SI / SII, mit dem Fach Chemie).

Die Stundenbilder decken nur den Kernbereich ab. Zur Festigung sind ähnliche Experimente und Gedankengänge in der Folge notwendig.

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E-Mail: Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de