Didaktik der Chemie / Universität Bayreuth

Stand: 20.09.10

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Computereinsatz im Chemieunterricht

Computergestützte Messwerterfassung

Material:
bulletChemBox
bulletAllChemMisst
bulletpH-Meter WTW
bulletVC 506 / 840
bulletKabel
bulletDatenprojektor
bulletComputer
bulletInfoblatt (doc, 42k)

Es gibt keinen Grund, Versuche, die man bisher ohne Computer zur Zufriedenheit aller durchführen konnte, nun mit Computer durchzuführen.

Damit diese Worte nicht zur Ausrede führen, Computer seien im Unterricht überflüssig, sei erwähnt, dass die Betonung auf zur Zufriedenheit aller liegt, was bei manchen Experimenten, in herkömmlicher Weise ausgeführt, sicher zweifelhaft erscheint.

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1. Vorteile eines Computers beim Messen

bulletAufwändigere Auswertungsverfahren sind (bei Vorhandensein entsprechender Programme!) einfach durchzuführen. Ob das Verfahren den Schülern bekannt sein muss, entscheidet immer noch der Lehrer von Fall zu Fall. Ggf. müssen Vorarbeiten geleistet werden, wenn man der Meinung ist, dass Schüler wissen sollten "wie es geht, wenn es der Computer macht")
bulletLange dauernde Versuche (länger als 45 Minuten) können z.T. ohne die Anwesenheit des Lehrers oder von Schülern protokolliert werden (z.B. über Nacht), d.h. das Spektrum der praktikablen Versuche wird erweitert.
bulletViele Messungen in kurzer Zeit sind möglich, etwa bei schnell ablaufenden Reaktionen (praktische Grenze per Hand: etwa bei 1 Wert in 15 Sekunden, sonst wird der Fehler wegen der Dauer der Ablesung z.B. eines Quecksilberthermometers zu groß; die elektronische Grenze wird durch den Fühler bestimmt. Bei pH liegt sie um 1 Wert in 3 Sekunden, bei der Temperatur meistens um 1 Wert je 0.1 Sekunden).
bulletViele Meßwerte können mit geringem Aufwand gesammelt und gespeichert werden.
bulletDer Computer kann auch steuernd eingreifen, z.B. als automatischer Schalter mit Thermostat- oder pH-Stat-Funktion.

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2. Erforderliche Hardware

Folie: Schritte der instrumentellen Abstraktion

Bevor ein Computer diese Aufgaben erfüllen kann, müssen zwei Probleme gelöst werden:

  1. Chemische Meßgrößen müssen irgendwie in Spannungen oder in Stromfluss umgesetzt werden. Dies Problem besteht allerdings für alle elektrischen Messgeräte und es gibt dafür auch gute Lösungen: so wird die c(H3O+) oder die Temperatur von geeigneten Fühlern und den angeschlossenen Geräten in eine Spannung umgesetzt, die der Meßgröße proportional ist. Man benötigt also einen Meßfühler und einen Verstärker.
  2. Meßgrößen verhalten sich in der Natur "analog", d.h. sie können beliebige Werte innerhalb gewisser Grenzen annehmen. Genauso verhält es sich auch mit den herkömmlichen Meßgeräten: sie liefern eine Spannung, die sich zwischen zwei Grenzwerten stufenlos ändert. Der Computer hingegen arbeitet "digital", d.h. er kennt nur den Zustand "Spannung da" = logische 1, und "Spannung nicht da" = logische 0. Damit sich nun Meßgerät und Computer "verstehen" können, benötigt man einen "Übersetzer", einen Analog-Digital-Wandler. Die Signale, die dieser Wandler liefert, können direkt in den Computer über die serielle Schnittstelle eingelesen werden.

Folie: Für die Meßwerterfassung benötigte Komponenten

Das Prinzip dieser Wandler soll nur insoweit erläutert werden, damit Sie in der Lage sind, die Qualität eines Wandlers zu beurteilen.

Folie: Prinzip der A/D-Wandlung

Grundsätzlich gilt: Je höher die Bit-Wandlungsrate, desto genauer die Messung. Ab 10 Bit sind Wandler für den Unterricht brauchbar, ab 16 Bit werden sie teuer.

Bei dieser Darstellung ist noch nichts ausgesagt über:

bulletden Wandlungsbereich, d.h. die Empfindlichkeit des Wandlers (i.d.R. +/-1V); d.h. er zerlegt diesen Spannungsbereich in eine der Bitzahl entsprechende Anzahl von Stufen; und
bulletdie Wandlungsrate, d.h. die Zahl der Messwertabfragen pro Sekunde; für Erfordernisse der Schulchemie reichen in der Regel 10 Messungen pro Sekunde; schnellere Ereignisse z.B. in der Physik erfordern manchmal auch 100 Messungen/s.

Je nach Gruppierung von Messfühler, Verstärker und Wandler unterscheidet man drei unterschiedliche Ausführungen der Geräte:


Folie: Modulare Gerätekonfigurationen


Folie: Kompakte Gerätekonfigurationen


Folie: Marktübersicht

Vorteile von Kompaktgeräten (All-Chem-Mißt, teilw. ChemBox):

bulletDer günstigste Preis, falls noch keine Geräte mit RS-232-Schnittstelle oder Schreiberausgängen in der Sammlung existieren; in der Regel existieren sie nicht, da sie teurer wären und ohne eine bestimmte Absicht nicht angeschafft werden.
bulletEchte 2-Kanalmessung ist möglich, da zwei Wandler galvanisch getrennt im gleichen Gehäuse sitzen (ohne galvanische Trennung würden sich die Meßwerte auf einzelnen Kanälen gegenseitig beeinflussen).
bulletEinfacher und schneller Versuchsaufbau auch für den mit Computern unerfahrenen Lehrer; bietet wenig Fehlermöglichkeiten (wenige Stecker und Verbindungen) sowie gute Durchschaubarkeit des Versuchsaufbaues durch die Schüler (wenig Leitungen, wenig Einzelkomponenten), das Gerät tritt gegenüber dem Versuch mehr in den Hintergrund.
bulletAuch ohne Computer als vielseitiges Meßgerät im Unterricht einzusetzen, da – eine große Digitalanzeige für Schüler und – eine kleine auf der Rückseite für den Lehrer vorhanden ist.
bulletKann an jeden Computer mit serieller Schnittstelle (über Kabel auch an USB) angeschlossen werden.
bulletDie Meßbereiche können auch über die Software angewählt werden, d.h. leichte Umstellung bei laufendem Versuch oder schnellem Versuchswechsel.
bulletAnschlüsse für 4 Temperaturfühler vorhanden; zwei können gleichzeitig abgefragt werden.
bullet2 Schaltrelais vorhanden für Steueraufgaben (nicht für 220V!!!).

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3. Anforderungen an die Software

3.1. Meßwertaufnahme:

bulletGroßanzeige von Werten
bulletHalb- oder vollautomatische Werteerfassung
bulletBeschriftung der Graphen
bulletAuswahl mehrerer Darstellungsformen für das Ergebnis (Wertetabelle, Zeichen für die Kurvendarstellung, Balken, Steigung, Wendepunkte...)
bulletVergleich zweier Graphen.
bulletAbspeichern von eingestellten Messparametern
bulletAbspeichern von Messwerttabellen oder fertigen Graphen
bulletOrganisation der Ergebnis-Daten (Unterverzeichnisse, Extensions...).

3.2. Auswertung:

bulletEliminierung fehlerhafter Werte oder von Ausreißern
bulletAuswahl von speziellen, automatischen Auswertungsverfahren (Ein-, Zwei-, Dreigeraden-Methode..)
bulletGlättung von Kurven
bulletbeliebige mathematische Gestaltung der Achsen (ln, log...)
bulletUmrechnen der Achsen nach einfachen mathematischen Funktionen (Addition von Konstante, Multiplikation, Verrechnen von Eichkurven, Tausch der Achsen...).

3.3. Service:

bulletHilfestellung zur Bedienung des Programms; Anpassung von Geräten
bulletSimulationen.

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4. Grundsätzliche Verfahrensweise

Folie: Für Messwerterfassung benötigte Komponenten (siehe oben; Anpassung)

Jedes Gerät muss an das folgende angepasst werden. Darin, ob das auf einfache Art und Weise oder überhaupt nicht geht, unterscheiden sich die vorgestellten Gerätekonfigurationen grundlegend:

bulletstammen alle Geräte „aus einer Hand“, so funktioniert die Kombination sicher und die Einrichtung ist weitgehend problemlos; mit anderen Messgeräten z.B. können aber erhebliche Anpassungsschwierigkeiten auftreten (z.B. Waagen, Photometer etc.);
bulletstammt jedes Gerät von einem anderen Hersteller, sind z.T. große Anpassungsprobleme zu beseitigen, bevor die Kombination funktioniert; die Güte der Komponenten zeigt sich dann in ihrer Flexibilität.

Beispiel für eine kompliziertere Kombination: pH-Meßkette von Mettler Toledo, pH-Messgerät von WTW, A/D-Wandler von Voltcraft und Erfassungssoftware vom AK Computer.

Was ist zu tun?

4.1. Schritt 1: Abgleich der Messkette

Dieser Schritt fällt auch bei der herkömmlichen pH-Messung an: Steilheit und Asymmetrie sollten vor jeder Messfolge eingestellt werden. Detaillierter wird jetzt nicht darauf eingegangen.

4.2. Schritt 2: Anpassung des Wandlers an das Schreiber-Signal

Der Schreiberausgang liefert eine dem Messwert proportionale Gleichspannung im Bereich von -2V bis +2V. Im Falle des pH-Meters von WTW sind das für pH = 0-14 die Spannungen von 0-1.40V. Genau diese Spannung wird vom Multimeter VC506 angezeigt. Würde man den Wandler nur mit dem pH-Meter betreiben, so könnte man einen Verstärkungsfaktor von 10 fest einstellen. Nachdem der Faktor für andere Geräte (Thermometer, Photometer, Gaschromatograph) sicher anders ist, wäre es einfacher, diese Einstellungen per Software erst in Schritt 4 vorzunehmen.

4.3. Schritt 3: Einstellen von Übertragungsparametern

Dieser Schritt kann sich beliebig kompliziert gestalten, weil die Software das Format der digital übertragenen „Worte“ genau kennen muss:

bulletWie schnell „spricht“ der Wandler? Wie hoch ist die Übertragungsrate in Baud?
bulletWie viele Bit ist ein Wort lang? 7, 8, 11?
bulletEnthält das ganze „Wort“ nur Messinformationen oder auch einen „Sicherheitsteil“, ein Parity-Bit?
bulletWerden Steuerbefehle auch übertragen? Z.B. CR, ESC...
bulletWoran erkennt man, ob gerade ein Steuer“wort“ oder ein Messwert übertragen wird?

Gute Software nimmt dem Lehrer solche Arbeiten ab, indem sie vom Autor (der sich logischerweise auskennt) auf möglichst viele in Frage kommende Geräte und Fabrikate schon voreingestellt wurde.

Demonstration: AK-Analytik; ACM, VC506, Ohaus-Waage...

4.4. Schritt 4: Eichung (Kalibrierung)

Nun folgt jene Maßnahme, die eigentlich zwischen pH-Meter und Wandler gehört hätte: es gilt zu erreichen, dass der Rechner den gleichen Wert anzeigt wie das pH-Meter. Die Schritte 3 und 4 müssen in der Regel nur einmal pro Gerät durchgeführt werden, dann stehen die richtigen Daten in einer Datei, in die die Software bei der Auswahl der Messgröße und des angeschlossenen Gerätes jeweils hineinschaut. Die Eichung erfolgt nach dem Prinzip einer Zweipunktgeraden:


Folie: Eichen über die Zweipunktgerade

Ergebnis ist ein „Eichfaktor“, mit dem alle vom pH-Meter kommenden Spannungswerte multipliziert werden, um auf dem Rechner pH-Werte zu ergeben (z.B. 10,038).

4.5. Schritt 5: Eingabe von Messoptionen

Dieser Schritt geschieht über die Software und gliedert sich in zwei Bereiche:

  1. Angaben zum Verlauf der Messwerterfassung (z.B. Gesamtdauer der Erfassung, Zeittakt der Messungen etc.);
    Beispiel: „miss alle 0.1s 1200s lang“;
  2. Angaben zur Darstellungsform (z.B. Großanzeige, Grafik, Einteilung der Achsen, Achsenbeschriftung, Nachkommastellen, Achsenausschnitte...);
    Beispiel: „x-Achse von 350 bis 700, in 7 Abschnitte unterteilt und beschriftet, Einheit nm, keine Nachkommastellen“.

Diese Einstellungen sind für jeden Versuch spezifisch. Für Wiederholungen können sie in Optionen-Dateien abgespeichert werden.

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Download Folien als PowerPoint-Datei, ppt 496k

E-Mail: Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de