Computereinsatz im
Chemieunterricht
Der Computer als Medium
1. Der Medienbegriff
Zum hier verwendeten Medienbegriff sollen folgende Teile gehören:
- Information. Damit ist zunächst die Basisinformation im
kybernetischen Sinn gemeint, der ohne Vorkenntnisse erschließbare Anteil
des Inhaltes. Information ist immateriell und wird gern mit der Software
eines Computers verglichen. Informationen sind
Aussagen über die reale Welt, jedenfalls mehr als reine Vermutung. Sie
stammt von einem Autor, wurde zum Zweck der Übermittlung oder Aneignung in
Form gebracht und wird beim Empfänger eine Reaktion verursachen, je
nachdem wie er sie klassifiziert: neu (meist gleichgesetzt mit
"bedeutend"), bekannt ("unbedeutend"), richtig oder
falsch.
- Didaktischer Intention. Sie ist Metainformation, also Information,
die erst Bedeutung erlangt, wenn man einen Zusammenhang, eine Absicht,
kennt. Als Teil des Inhaltes ist sie nur für den geschulten Beobachter
entschlüsselbar, entfaltet aber eine klare Wirkung im Dienst eines
Lehrzieles und wird vom Anwender des Mediums (Lehrer) bewusst zu diesem
Zweck eingesetzt. Sie steht auf der gleichen, breiten und vieldimensionalen
Grundlage wie die Wissenschaft Didaktik selbst.
- Informationsträger. Damit sind materielle, physikalische Formen
gemeint, die Information dinglich, anfassbar, transportabel und langfristig
lagerbar machen. Die Form wird durch die gewählte Technik bestimmt.
- Meistens ist darüber hinaus ein Gerät erforderlich, um die
Information vom Träger für menschliche Sinne erfahrbar zu machen. Es wird
gern mit der Hardware eines Computers verglichen.
Folie: Medienfunktionen im Didaktischen Dreieck
Folie: Position des Computers
2. Merkmale des Mediums Computer
Einordnung. Der Computer ist durch seine vielfältigen Möglichkeiten
medial nicht leicht fassbar. Das Wort bezeichnet zunächst ein
Gerät, die
"hardware"
| zum Erstellen von Medien (Lehrbüchern, Folien, Arbeitsblätter), |
| zum Abspielen von Filmen (von CD-ROM, DVD), |
| zum Lesbarmachen von Information (der verschiedenen Dienste des Internet,
von Arbeitsblättern oder Schulbüchern auf verschiedenen Datenträgern), |
| zur Präsentation von Medien (elektronische Folien, Modelle). |
Inhalte stammen von der lokalen Software oder
von den Diensten des Internet. Hard- und Software bilden eine untrennbare
Einheit, wobei die Software das eigentliche Unterrichtsmedium darstellt.
Computer-Programme bzw. Präsentationsdateien können geschlossen oder offen (und
alle Stufen dazwischen) sein, so dass sie mit der
Unterrichtsmethode und Arbeitsformen
interferieren.
Einsatz.
| Fall 1: Der Lehrer projiziert mit Hilfe des Computers Modelle, Bilder oder
Folien. Er lenkt die Aufmerksamkeit der Schüler auf einen gemeinsamen,
frontalen Punkt.
Bei Bild und Folie ist der Computer allein ein alternatives Gerät
im Rahmen herkömmlicher Medien. Im Fall der Modelle fehlen typische
Qualitäten (etwa Anfassbarkeit) der herkömmlichen materiellen, oder es kommen
neue, softwarespezifische Leistungen hinzu (z.B. Überlappbarkeit von Orbitalen,
Umschaltbarkeit von Atom- auf Molekülorbitale). Der Computer wird zu einer
Präsentationsvariante. |
| Fall 2: Die Schüler einer Klasse sitzen in Dreiergruppen vor je einem
Gerät und bearbeiten im gruppenspezifischen Tempo die gleiche
Aufgabenstellung (Übungsprogramm, Lehrprogramm). Von Lehrerzentriertheit
kann nicht mehr die Rede sein.
Computerunterstütztes Experimentieren ist eine Variante des
herkömmlichen Experimentierens. Übungsprogramme sind mit dem
Arbeitsblatt stark verwandt, wobei der Computer das Gerät zur
Präsentation und zum Blättern ist, aber einfache Lehrerfunktionen
(Rückmeldung) mit übernimmt. Bei Lehrprogrammen sind die
Zusatzfunktionen allerdings so umfangreich, dass die Formulierung
eines eigenständigen Mediums gerechtfertigt erscheint. |
Probleme.
Ordnet man "den Computer" als Medium ein, ergibt sich eine paradoxe
Situation: die Schüler sind motiviert und benutzen ihn gerne, die Lehrer
sind skeptisch bis ablehnend "das bringt doch nichts". Bsp.:
"Schulen ans Netz e.V." kümmert sich seit 1999
um die Einführung "neuer Medien" in der Schule. Mit 150 Mio. DM wurde
Ausstattung und Vernetzung, Onlinekosten, Software und Fortbildung
gefördert. Ergebnis: man kann die Ergebnisse aus anderen Ländern
bestätigen
| jeder in Schulcomputer investierte Euro
verlangt nach 34ct Folgekosten (Wartung, Reparatur, Software,
Fortbildung, Onlinekosten) - USA; |
| die überwiegende Mehrzahl der Lernprogramme
ist pädagogisch ungeeignet, trivial, motivationstötend und zu teuer -
Australien; |
| mehr (alte) Lehrer als vermutet wollen sich
am Computer fortbilden lassen - Österreich; |
| Lernen mit dem Computer begünstigt nur den
Informationsgewinn, nicht echtes Wissen - Island; |
| Informationen aus dem WWW besorgen ist
bedeutsamer als Lernprogramme nutzen - Skandinavien; |
| manche Schüler sind in allen Fächern gut,
nicht aber am Computer - Schweden; |
| Computer laden zu Streichen und Sabotage
ein - Kanada; |
| Lernen am Computer funktioniert nicht im
45-Minuten-Takt - Schweiz. |
| effektives Lernen am Computer erfordert
eine andere Schule - Deutschland. |
(Quelle: Prof. Peter Struck in "Enttäuschte Euphorien", Herkunft
unbekannt)
Also: der Computer ist nur ein "Instrument" (=Gerät). Diese Gerät kann
man nicht in die Schule "pflanzen" und hoffen, es würde mehr oder besser
gelernt. Zentrale Ansatzpunkte zur Verbesserung der Unterrichtsqualität
sind und bleiben:
| Lehrerengagement, |
| Methodenkompetenz des Lehrers, |
| stärkeres Öffnen des Methodenrepertoirs, |
| stärkeres Öffnen von Organisationsformen (Fachlehrerprinzip,
45-Minuten-Takt) und ggf. |
| didaktisch fundierte Medien (Lehrprogramme). |
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Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de
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