Didaktik der Chemie / Universität Bayreuth

Stand: 20.09.10

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Computereinsatz im Chemieunterricht

Der Computer als Medium

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1. Der Medienbegriff

Zum hier verwendeten Medienbegriff sollen folgende Teile gehören:

  1. Information. Damit ist zunächst die Basisinformation im kybernetischen Sinn gemeint, der ohne Vorkenntnisse erschließbare Anteil des Inhaltes. Information ist immateriell und wird gern mit der Software eines Computers verglichen. Informationen sind Aussagen über die reale Welt, jedenfalls mehr als reine Vermutung. Sie stammt von einem Autor, wurde zum Zweck der Übermittlung oder Aneignung in Form gebracht und wird beim Empfänger eine Reaktion verursachen, je nachdem wie er sie klassifiziert: neu (meist gleichgesetzt mit "bedeutend"), bekannt ("unbedeutend"), richtig oder falsch.
  2. Didaktischer Intention. Sie ist Metainformation, also Information, die erst Bedeutung erlangt, wenn man einen Zusammenhang, eine Absicht, kennt. Als Teil des Inhaltes ist sie nur für den geschulten Beobachter entschlüsselbar, entfaltet aber eine klare Wirkung im Dienst eines Lehrzieles und wird vom Anwender des Mediums (Lehrer) bewusst zu diesem Zweck eingesetzt. Sie steht auf der gleichen, breiten und vieldimensionalen Grundlage wie die Wissenschaft Didaktik selbst.
  3. Informationsträger. Damit sind materielle, physikalische Formen gemeint, die Information dinglich, anfassbar, transportabel und langfristig lagerbar machen. Die Form wird durch die gewählte Technik bestimmt.
  4. Meistens ist darüber hinaus ein Gerät erforderlich, um die Information vom Träger für menschliche Sinne erfahrbar zu machen. Es wird gern mit der Hardware eines Computers verglichen.

Folie: Medienfunktionen im Didaktischen Dreieck

Folie: Position des Computers

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2. Merkmale des Mediums Computer

Einordnung. Der Computer ist durch seine vielfältigen Möglichkeiten medial nicht leicht fassbar. Das Wort bezeichnet zunächst ein Gerät, die "hardware"

bulletzum Erstellen von Medien (Lehrbüchern, Folien, Arbeitsblätter),
bulletzum Abspielen von Filmen (von CD-ROM, DVD),
bulletzum Lesbarmachen von Information (der verschiedenen Dienste des Internet, von Arbeitsblättern oder Schulbüchern auf verschiedenen Datenträgern),
bulletzur Präsentation von Medien (elektronische Folien, Modelle).

Inhalte stammen von der lokalen Software oder von den Diensten des Internet. Hard- und Software bilden eine untrennbare Einheit, wobei die Software das eigentliche Unterrichtsmedium darstellt. Computer-Programme bzw. Präsentationsdateien können geschlossen oder offen (und alle Stufen dazwischen) sein, so dass sie mit der Unterrichtsmethode und Arbeitsformen interferieren.

Einsatz.

bulletFall 1: Der Lehrer projiziert mit Hilfe des Computers Modelle, Bilder oder Folien. Er lenkt die Aufmerksamkeit der Schüler auf einen gemeinsamen, frontalen Punkt.
Bei Bild und Folie ist der Computer allein ein alternatives Gerät im Rahmen herkömmlicher Medien. Im Fall der Modelle fehlen typische Qualitäten (etwa Anfassbarkeit) der herkömmlichen materiellen, oder es kommen neue, softwarespezifische Leistungen hinzu (z.B. Überlappbarkeit von Orbitalen, Umschaltbarkeit von Atom- auf Molekülorbitale). Der Computer wird zu einer Präsentationsvariante.
bulletFall 2: Die Schüler einer Klasse sitzen in Dreiergruppen vor je einem Gerät und bearbeiten im gruppenspezifischen Tempo die gleiche Aufgabenstellung (Übungsprogramm, Lehrprogramm). Von Lehrerzentriertheit kann nicht mehr die Rede sein.
Computerunterstütztes Experimentieren ist eine Variante des herkömmlichen Experimentierens. Übungsprogramme sind mit dem Arbeitsblatt stark verwandt, wobei der Computer das Gerät zur Präsentation und zum Blättern ist, aber einfache Lehrerfunktionen (Rückmeldung) mit übernimmt. Bei Lehrprogrammen sind die Zusatzfunktionen allerdings so umfangreich, dass die Formulierung eines eigenständigen Mediums gerechtfertigt erscheint.

Probleme.

Ordnet man "den Computer" als Medium ein, ergibt sich eine paradoxe Situation: die Schüler sind motiviert und benutzen ihn gerne, die Lehrer sind skeptisch bis ablehnend "das bringt doch nichts". Bsp.:

"Schulen ans Netz e.V." kümmert sich seit 1999 um die Einführung "neuer Medien" in der Schule. Mit 150 Mio. DM wurde Ausstattung und Vernetzung, Onlinekosten, Software und Fortbildung gefördert. Ergebnis: man kann die Ergebnisse aus anderen Ländern bestätigen

bulletjeder in Schulcomputer investierte Euro verlangt nach 34ct Folgekosten (Wartung, Reparatur, Software, Fortbildung, Onlinekosten) - USA;
bulletdie überwiegende Mehrzahl der Lernprogramme ist pädagogisch ungeeignet, trivial, motivationstötend und zu teuer - Australien;
bulletmehr (alte) Lehrer als vermutet wollen sich am Computer fortbilden lassen - Österreich;
bulletLernen mit dem Computer begünstigt nur den Informationsgewinn, nicht echtes Wissen - Island;
bulletInformationen aus dem WWW besorgen ist bedeutsamer als Lernprogramme nutzen - Skandinavien;
bulletmanche Schüler sind in allen Fächern gut, nicht aber am Computer - Schweden;
bulletComputer laden zu Streichen und Sabotage ein - Kanada;
bulletLernen am Computer funktioniert nicht im 45-Minuten-Takt - Schweiz.
bulleteffektives Lernen am Computer erfordert eine andere Schule - Deutschland.

(Quelle: Prof. Peter Struck in "Enttäuschte Euphorien", Herkunft unbekannt)

Also: der Computer ist nur ein "Instrument" (=Gerät). Diese Gerät kann man nicht in die Schule "pflanzen" und hoffen, es würde mehr oder besser gelernt. Zentrale Ansatzpunkte zur Verbesserung der Unterrichtsqualität sind und bleiben:

bulletLehrerengagement,
bulletMethodenkompetenz des Lehrers,
bulletstärkeres Öffnen des Methodenrepertoirs,
bulletstärkeres Öffnen von Organisationsformen (Fachlehrerprinzip, 45-Minuten-Takt) und ggf.
bulletdidaktisch fundierte Medien (Lehrprogramme).

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Download Folien als PowerPoint-Datei, ppt 73k

E-Mail: Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de