a. Im Fall von HCl + H2O(l):Antwort von AkadOR
W. Wagner, Didaktik der
Chemie:
Die Oktett-Regel ist nur eine Regel. Regeln beschreiben sehr grob die bevorzugte
Reaktionstendenz von Teilchen. Mit ihr allein lässt
sich das Verhalten der Teilchen in diesem Fall (und vielen anderen
auch) nicht vollständig erklären.
Will man die Erscheinung näher beschreiben, braucht man den
Begriff der Elektonegativität (EN). Sie beschreibt das Verhalten eines Zentralteilchens zu seinen Liganden. EN(O)= 3,5, EN(Cl) nur 3,0. Daraus sollte eine festere
Bindung von H an O resultieren, was das stabilere Produkt ergibt.
Dass dies auch noch für H3O+ gilt, dafür spricht das Delokalisierungsargument:
die positive Ladung wird in diesem speziellen Fall (H+ in
Wasser) über sehr viele Wassermoleküle verteilt, was sich fördernd
auf den Zustand auswirkt.
b. Im Fall von HCl(g) + NH3(g)
Antwort von Prof. J. Senker, Anorganische Chemie:
Die Bindungsenergien einer H-Cl-
und einer H-N-Bindung sind ungefähr gleich und sogar etwas zu
Ungunsten der HN-Bindung ausgelegt. Dass der Protonenübertrag trotzdem
stattfindet liegt am ionischen Verband, der durch die
Reaktion entsteht. Es entstehen Cl- und NH4+
-Ionen, zwischen denen eine attraktive Coulombwechselwirkung besteht.
Die Ionen formen dann sehr schnell einen Festkörper, was man zum
Beispiel an der Rauchbildung sehen kann, wenn man trockenen Ammoniak
mit trockenem Chlorwasserstoff umsetzt. Der Rauch ist ein Aerosol, in dem NH4Cl
-Kriställchen in der Größenordnung von ein paar hundert Nanometern
entstehen, also so groß, dass sie schon Licht brechen, aber
noch zu klein, um schwer genug zu sein sofort zu Boden zu sinken.
Zu vergleichen ist dies mit einem Niederschlag in einem chemischen
Gleichgewicht: der Bodenkörper als stabiles Produkt entzieht dem
Gleichgewicht das Produkt, weshalb es immer weiter nachgebildet
wird, bis alle Edukte aufgebraucht sind.