Chemie

Chemie / Universität Bayreuth

Physikalisch oder chemisch?

Stand: 09.03.07

Frage:
  1. Eine Kerze brennt.
  2. Zucker wird in Wasser gelöst.
    Sind das chemische oder physikalische Vorgänge?
  3. Ist das Mischen von Alkohol mit Wasser auch ein physikalischer Vorgang?
  4. Oder das entweichen von Kohlendioxid aus Mineralwasser?

 

Antwort von AkadOR W. Wagner, Didaktik der Chemie:

Die Frage klingt einfach und eindeutig beantwortbar, ist es aber nicht. Je nachdem, wie genau man hinschaut, werden die Vorgänge schwieriger zuzuordnen.

Definitionen in erster Näherung:
bulletChemische Vorgänge führen zu Stoffartänderungen, d.h. aus einem Stoff wird ein anderer (z.B. Wachs verbrennt zu Wasser und CO2).
bulletPhysikalische Vorgänge führen zu Zustandsänderungen, d.h. wenn die entsprechende Einwirkung aufhört, kehrt der Stoff in den ursprünglichen Zustand zurück (z.B. Wachs schmilzt unter dem Einfluß von Wärme; wird es kälter, erstarrt Wachs wieder).

Damit lassen sich die ersten beiden Fragen beantworten:

1. Eine Kerze brennt:

bulletEs gibt einen physikalischen Teil: Wachs schmilzt und verdampft - ist aber immer noch Wachs.
bulletNun folgt der chemische Teil: der Wachsdampf reagiert unter Feuererscheinung mit dem Luftsauerstoff zu Wasserdampf und CO2 und ist somit (logischerweise) kein Wachs mehr.

2. Zucker wird in Wasser gelöst: vorher Zucker, nachher Zucker; wenn man Wasser verdunsten läßt, bleibt Zucker zurück. Schlußfolgerung: physikalischer Vorgang.

Hinweis: Schwieriger wird es bei Kochsalz! Man sollte nicht vorschnell vom Lösen von Zucker auf das Lösen von Kochsalz schließen. Als Ionenverbindung dissoziiert NaCl in Wasser und erhält andere Eigenschaften (z.B. Leitfähigkeit). Auf der anderen Seite ist es immer noch Kochsalz, nachdem man Wasser verdunsten gelassen hat. Dies ist eine Grauzone, besonders wenn man sich die Bindungsverhältnisse anschaut. Deshalb:

Definition in zweiter Näherung: Bei chemischen Vorgängen werden chemische Bindungen gebrochen bzw. neu geknüpft und/oder es geschieht ein Elektronenaustausch (Redox).

In NaCl wird die Ionenbindung "gebrochen" und durch polare Wechselwirkungen zum Wasser (Hydrathülle) ersetzt. Beim Verdunsten wird alles wieder rückgängig gemacht. Zwei chemische Prozesse in einer Kette, die sich gegenseitig rückgängig machen.

3. In erster Näherung ist das Mischen von Ethanol mit Wasser ein physikalischer Vorgang: Ethanol behält seine wesentlichen (chemischen) Eigenschaften. Guckt man aber genauer hin, ist die Einordnung nicht mehr so eindeutig:

bulletEthanol ist eine sehr schwache Säure, die in Wasser das tut was Säuren tun sollen, nämlich dissoziiert. Deshalb wird eine "Mischung" teilweise andere Eigenschaften als Ethanol absolut haben, weil nun Ethanolat-Anionen und Oxonium-Kationen zusätzlich vorliegen.
bulletZwischen Ethanol- und Wassermolekülen bilden sich Wasserstoffbrückenbindungen anderer Stärke aus als zwischen den gleichartigen Molekülsorten. Deshalb kommt es z.B. zu erheblicher Volumenkontraktion, weil die Molekülabstände kleiner werden. Es werden also Wasserstoffbrücken zwischen zwei Ethanolmolekülen gebrochen und zu Wasser neu geknüpft, was somit nach obiger Definition ein chemischer Vorgang wäre.

4. Die Vorgänge bei Mineralwasser sind ebenfalls gemischter Natur. CO2 löst sich in Wasser physikalisch (das Molekül CO2 bleibt als solches erhalten und wird lediglich von Hydrathüllen umgeben) und reagiert zum Teil (chemisch) nach der Gleichung CO2 + H2O ---> H2CO3 (Kohlensäure). Wenn es nach dem Öffnen der Flasche entweicht, kann das auf Grund des erniedrigten Druckes geschehen, weil sich nun (physikalisch) nicht mehr so viel CO2 in Wasser lösen kann, und weil Kohlensäure in der Rückreaktion wieder zu CO2 und Wasser zerfällt.

Vorsicht: im Alltag wird der Inhalt der sichtbaren Gasblasen häufig als "Kohlensäure" bezeichnet, was falsch ist.

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