Chemie

Chemie / Universität Bayreuth

Kontinuum oder  Diskontinuum?

Stand: 03.02.05

Frage:

Wie kommt man eigentlich darauf, dass Materie nicht beliebig oft geteilt werden kann, sondern dass irgendwann ein kleinstes Teilchen erreicht ist?

 

Antwort von Prof. Peter Morys, Anorganische Chemie:

Im Endeffekt gehen alle "Vorstellungen" (Bilder, die man sich macht) von den Befunden Daltons aus, dass man bei der Analyse von Verbindungen stets und reproduzierbar ganzzahliche Massenverhältnisse der Elemente erhält. Dies führte zur Diskontinuumssicht der Materie. In Kontinuumssicht dürften sich ganzzahlige Verhältnisse nur zufällig ergeben und bei derselben Verbindung nicht reproduzierbar sein.

Beispiel von Andreas Bock, nach "Sofies Welt" von Jostein Gaarder:

Baut man aus demselben Satz von LEGO-Steinen mehrere Figuren, dann lassen sich die einzelnen Steine immer aus den Figuren als solche wieder gewinnen (Diskontinuum). Würde man die Figuren aus Lehm bauen (Kontinuum), könnte man praktisch nie genau einen jener Klumpen wieder gewinnen, den man beim Bau eingesetzt hat.

Beispiel von Walter Wagner, Didaktik der Chemie:

Diskontinuumssicht: wenn ein Zuckerkristall (Kandis) aus einer Zuckerlösung wächst, entsteht ein geometrisches Gebilde, reproduzierbar stets in derselben Geometrie.
Kontinuumssicht: Kontinuum-Zucker würde höchstens zufällig und wahrscheinlich nur einmal in unserer bekannten Kandis-Geometrie wachsen. Im Normalfall dürfte die Kristallisation formlose Körper, und dazu noch stets einen anderen, ergeben.

Ergänzung von Prof. Adalbert Kerber, Mathematik:

Die Mathematik kann beide Wege beschreiben:

  1. einen, bei dem unendlich viele Operationen eine unendlich große Zahl liefern und
  2. einen, bei dem unendlich viele Operationen eine bestimmte, endliche Zahl liefern (Grenzwert).

Beim Problem müsste es sich um den 2. Fall handeln.

Ergänzung von Prof. Manfred Stöckler, Philosophie:

Entscheidend für das Überleben einer Vorstellung der Atomisten (um 400-200 v.u.Z.) war, ob sich eine Erklärung, eine Analogie aus dem Alltag, für das Erklären weiterer Phänomene eignete oder nicht. Tat sie dass, war sie gefestigter, tat sie es nicht, war es eher wahrscheinlich, dass sie wieder verworfen wurde.
Im Fall der Materie war es die Absicht der Atomisten, zu erklären, wie es zur Vielfalt der Erscheinungsformen von Materie kommen konnte. In Analogie zur Schrift vermutete man einen Satz von "Elementen", die, jeweils unterschiedlich zusammengesetzt, die große beobachtete Vielfalt ergeben konnten. Beweisen konnte man allerdings bis in die Zeit Gassendis (Beginn des 17. Jh.) nichts. Erst seine materialistische Vorstellung und Beweisführungen mit Hilfe von wissenschaftlichen Experimenten führten zu verifizierten Hypothesen.

horizontal rule

Chemie / Universität Bayreuth

horizontal rule

E-Mail: Walter.Wagner ät uni-bayreuth.de